Bei der Herstellung chemischer Stoffe könnte Erdöl vielleicht schon bald
durch Holz ersetzt werden. Die Forschungen zum Ersatz von Erdöl durch
nachwachsende Rohstoffe in der Chemie sind jedenfalls einen bedeutenden
Schritt vorangekommen. Wissenschaftler der Johannes
Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und der University of Alabama in
Tuscaloosa haben zwei Wirkstoffe aus holzbasierten Ausgangsmaterialien
hergestellt und gezeigt, dass sich die üblicherweise auf Erdölprodukten
beruhenden Synthesen ohne wirtschaftliche Verluste ersetzen lassen.
„Unsere Idee ist es, dass wir Alltagsprodukte aus erneuerbaren
Ressourcen herstellen, ohne dass wir dadurch die Umwelt schädigen, aber
trotzdem wirtschaftlich konkurrenzfähig bleiben“, erklärte Univ.-Prof.
Dr. Till Opatz von der JGU dazu. Die Forschungsarbeit wurde in dem
renommierten Fachmagazin Angewandte Chemie veröffentlicht und von der
Redaktion als Titelbeitrag ausgewählt.
Am Institut für Organische Chemie der JGU beschäftigt sich die Gruppe um
Till Opatz im Rahmen des Forschungsverbundes Chemische Biomedizin
(ChemBioMed), gefördert durch die Carl-Zeiss-Stiftung, mit der Synthese
von Wirkstoffen, die unter anderem das Wachstum von Tumorzellen hemmen.
Die US-Forscherkollegen unter Leitung von Prof. Dr. Anthony J. Arduengo
III waren hingegen an der Verwendung von Holzinhaltsstoffen für die
nachhaltige Herstellung einer breiten Palette chemischer Grundstoffe,
etwa für die Produktion von Autolacken, interessiert. Auf einer
Fachtagung in Goslar vor zwei Jahren stellten die beiden Forscher fest,
dass sich ihre Ansätze hervorragend ergänzen würden, wenn man sie in
geeigneter Weise kombiniert. Seither fand ein intensiver Austausch von
Wissenschaftlern und Studierenden zwischen Mainz und Tuscaloosa statt,
um diese Zusammenarbeit zu befeuern.
Gemeinsam konnten die beiden Teams nun zeigen, dass sich die
üblicherweise auf Erdölprodukten basierenden Synthesen der verschiedenen
Wirkstoffe so abändern lassen, dass die Kohlenstoffgerüste ihrer
Moleküle ausschließlich aus holzbasierten Ausgangsmaterialien aufgebaut
werden. Dabei gab es im Falle einer Zielverbindung, des Naturstoffes
Ilicifolin B, keine Vergleichsmöglichkeit mit klassischer Petrochemie,
da es sich um die erste Synthese dieser Substanz überhaupt handelte. Im
Falle von Derivaten des natürlichen Schmerzmittels Morphin übertraf
jedoch die Effizienz der xylochemischen Synthese sämtliche zuvor
bekannten petrochemischen Varianten deutlich.
„Dies zeigt, dass die Verwendung von Holz als nachwachsender Ressource
nicht mit einer Reduktion der Wirtschaftlichkeit verbunden sein muss“,
so Daniel Stubba, Erstautor der Veröffentlichung von der JGU. „Die
Xylochemie, also die chemische Synthese aus Holz, könnte einen wichtigen
Beitrag zum Ersatz der endlichen und auch klimaschädlichen Erdöl- und
Erdgasnutzung in der chemischen Produktion leisten.“ Weitere
Untersuchungen sollen nun andere Fragestellungen aus dem gleichen
Themenkreis adressieren. Dazu wurde eine internationale Forschergruppe
mit dem Namen STANCE (Sustainable Technology for a new Chemical Economy)
gegründet. Sie bringt Wissenschaftler aus den USA, Deutschland, Japan
und Kanada zusammen, die gemeinsam an der Entwicklung einer
alternativen, nachhaltigen chemischen Infrastruktur arbeiten, welche
nicht auf endlichen Ressourcen beruht, ökologische Ungleichgewichte
vermeidet und dennoch kostengünstig ist.
Holz beinhaltet eine Palette von möglichen Ausgansstoffen, die aufgrund
ihrer chemischen Struktur für viele Anwendungen besser geeignet sind als
Erdölprodukte. Letztere müssen oft erst aufwändig umgewandelt werden,
um die gleiche Funktionalität zu erreichen. „Holz als erneuerbare und
einfach zugängliche Ressource ist ein ideales Ausgangsmaterial. Seine
Inhaltsstoffe gleichen einem Baukasten, aus dessen Bausteinen Produkte
für eine modere Gesellschaft hergestellt werden können“, sagte Opatz mit
einem Hinweis darauf, dass gerade Alabama und Deutschland, wie auch
Kanada, über reiche Holzvorkommen verfügen.
Montag, den 26. Oktober 2015 um 15:26 Uhr