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Freitag, den 09. Oktober 2015 um 14:39 Uhr

Astronomen finden ungewöhnliche bewegte Strukturen in der Staubscheibe eines Sterns

 Mithilfe des Instruments SPHERE und des Weltraumteleskops Hubble hat ein Team von Astronomen, dem auch Forscher vom Max-Planck-Institut für Astronomie angehören, ungewöhnliche bewegte Strukturen in der Staubscheibe des nahen Sterns AU Microscopii ausgemacht. Es handelt sich um die erste Beobachtung solcher zeitlich veränderlicher Strukturen überhaupt, und zum jetzigen Zeitpunkt ist unklar, worum es sich im einzelnen handelt und wie die Strukturen enstanden sind. Sie könnten mit Eruptionen des Sterns AU Mic und/oder mit (bislang nicht nachgewiesenen) Planeten in der Staubscheibe zusammenhängen. Die Ergebnisse sind in der Ausgabe vom 8. Oktober 2015 der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.

Der Stern AU Mic (“AU Microscopii”) im südlichen Sternbild Mikroskop, weniger als 33 Lichtjahre von der Erde entfernt, ist von einer großen Staubscheibe umgeben, die irdische Beobachter fast genau von der Seite sehen. Jetzt ist es mithilfe von SPHERE, einem jüngst am Very Large Telescope der ESO installierten Instrument insbesondere zur Beobachtung von Exoplaneten und den Scheiben um Sterne, gelungen, die Trümmerscheibe von AU Mic detailscharf abzubilden. Außer den SPHERE-Daten wurden dabei noch frühere Beobachtungen mit dem Weltraumteleskop Hubble genutzt. Erstmals gelang es dabei, nicht nur Unterstrukturen der Scheibe zu zeigen, sondern auch zuverlässig nachzuweisen, wie sich diese Strukturen mit der Zeit verändern. Die Scheibe um AU Mic weist offenbar schnell bewegte, wellenartige Strukturen auf.

Als das Instrumententeam von SPHERE nach Zielobjekte für ihre ersten Beobachtungen suchte, war AU Mic ein naheliegender Kandidat. MPIA-Direktor Thomas Henning, der an der Forschungsarbeit beteiligt war, erklärt: "Gleich auf den ersten Blick haben wir detaillierte Strukturen in der Scheibe gesehen – hätten Sie mir vor ein paar Jahren gesagt, dass solche Bilder 2015 möglich wären, hätte ich Ihnen das vermutlich nicht geglaubt. Wir haben diese Strukturen dann mit Bildern verglichen, die einige Kollegen und ich 2010 und 2011 mit dem Weltraumteleskop Hubble aufgenommen hatten."

Henning fährt fort: "Uns erwartete eine Überraschung: In der Tat war es uns möglich, eine ganze Reihe von Strukturen eindeutig sowohl in den SPHERE- als auch in den Hubble-Bildern zu identifizieren. Aber innerhalb der wenigen Jahre, die zwischen den beiden Beobachtungen vergangen waren, hatten sich diese Strukturen deutlich weiter vom Stern entfernt. Zum ersten Mal beobachten wir nicht nur die Struktur oder die spektralen Eigenschaften einer solchen Trümmerscheibe – wir konnten zusehen, wie sich die Scheibe veränderte!"

Eine vorläufige Auswertung der Daten, die noch durch zukünftige Beobachtungen bestätigt werden muss, legt nahe, dass ein Teil der Materie, die dort beobachtet wurde, schnell genug fliegt, um aus der Scheibe und sogar aus dem gesamten betroffenen Sternensystem zu entkommen.

Bislang ist noch nicht vollständig geklärt, wie die dynamischen Eigenschaften, die der Vergleich der SPHERE- und Hubble-Bilder offenbart hat, zustandekommen. AU Mic ist ein roter Zwerg (Typ M1 Ve), der nur etwas mehr als halb so groß ist wie die Sonne – mit rund 12 Millionen Jahren ein recht junger Stern im Vergleich zu den knapp 5 Milliarden Jahre unserer Sonne. Wie bei solchen jungen Sternen häufig, zeigt AU Mic starke Aktivität und produziert mit einiger Häufigkeit Eruptionen, bei denen stellares Plasma mit hohen Geschwindigkeiten nach außen geschleudert ist. Eine Möglichkeit ist, dass die bewegten Strukturen in der Staubscheibe auf diese Weise zustande gekommen sind.

Eine weitere durchaus reizvolle Möglichkeit ist, dass die Veränderungen in der Scheibe Hinweise auf das Vorhandensein eines oder mehrerer Riesenplaneten in der Staubscheibe sind. Die Veränderungen würden in diesem Falle durch die Schwerkraftanziehung der Planeten während ihres Wanderns durch die Scheibe hervorgerufen. Bislang sind allerdings noch keine Planeten um AU Mic nachgewiesen – was sich in Zukunft allerdings durchaus ändern könnte.

Insgesamt legt der überraschende Nachweis der Scheibendynamik von AU Mic ein ganzes Programm zusätzlicher Beobachtungen nahe. Haben die Forscher besonders großes Glück, könnte ihnen sogar der Nachweis von Protoplaneten in der Scheibe gelingen, also von kleineren Körpern, die eifrig weitere Masse ansammeln um später zu Planeten zu werden. Allgemeiner sollten detaillierte Beobachtungen der Dynamik solcher Scheiben direkte Vergleiche mit der Simulation solcher Objekte ermöglichen – und könnten auch Informationen über Prozesse der Planetenentstehung liefern, die in der Scheibe ihre Spuren hinterlassen haben.


Den Artikel finden Sie unter:

http://www.mpia.de/news/wissenschaft/2015-07-Staubscheibe

Quelle: Max-Planck-Institut für Astronomie (10/2015)


Publikation:
Die hier vorgestellten Ergebnisse sind veröffentlicht als Boccaletti et al., "Fast-Moving Structures in the Debris Disk Around AU Microscopii", in der Nature-Ausgabe vom 8. Oktober 2015.

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