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Freitag, den 11. September 2015 um 14:37 Uhr

Überraschende Entdeckung im Kerameikos von Athen

Ein Team des Deutschen Archäologischen Instituts stösst überraschend auf das bisher einzige bekannte Orakelheiligtum des Apollon in Athen.

Unter der Leitung von Dr. Jutta Stroszeck konzentrieren sich die Arbeiten des Deutschen Archäologischen Instituts im Kerameikos seit 2012 auf zwei Forschungsschwerpunkte: „Systeme und Innovationen des Wassermanagements im antiken Athen" und „Kulte und Heiligtümer".

Die diesjährige Grabungskampagne galt der Nachuntersuchung eines 600 m2 großen Heiligtums, in dem sich beide Forschungsschwerpunkte treffen: Das bisher als Heiligtum der Hekate interpretierte Areal liegt unmittelbar nördlich des Museums und südlich der berühmten Gräberstraße, deren Wahrzeichen der mächtige marmorne Stier vom Grab eines der einflussreichsten Athener der Jahre um 350 v. Chr. ist.

In einer Dissertation konnte 2014 Constanze Graml von der Universität Mainz, seit Jahren Mitarbeiterin der Grabung, überzeugend nachweisen, dass die bisherige Interpretation als Hekateion korrigiert werden muss, da mehrere Inschriften und andere Funde aus diesem heiligen Bezirk auf die Verehrung der Artemis Soteira, also der Artemis mit dem Beinamen „die Retterin", hinweisen.

Das Heiligtum

Aufgefunden wurde das Heiligtum bereits 1890 bei Grabungen der Archäologischen Gesellschaft Athens unter Leitung von Kyriakos Mylonas. Der damalige Ausgräber stützte seine Deutung als Heiligtum der Hekate auf eine Basis mit dreieckiger Einlassung, die an zentraler Stelle in einer Kultnische aufgefunden worden war. Bekanntlich waren die Kultbilder der Hekate dreiseitig, was aber auch auf einige Darstellungen der Artemis zutrifft.

Auffällig ist die Ausrichtung der drei Kulteinrichtungen des Heiligtums in einer Reihe genau nach Norden: ein rechteckiger Altar, ein marmorner Omphalos (ein konisches Steindenkmal) und die Kultnische. Im weiten, durch eine Temenosmauer umgrenzten und heute mit Ölbäumen bepflanzten Hof, der sich südlich anschließt – der heute aber leider durch einen Betonweg für die Besucher irritierend abgetrennt wirkt – befindet sich ein Brunnen mit einem Mündungsstein aus Kalkstein.

Schon 2012 konnte die Ausgräberin feststellen, dass der Omphalos die Öffnung einer darunterliegenden Marmorplatte verschließt. Die früheren Bearbeiter hatten irrtümlich den Omphalos für die sekundär verwendete Unterseite eines marmornen Grabgefäßes (einer sog. Lekythos) gehalten. Ziel der diesjährigen Kampagne war also die Klärung der Funktion des ungewöhnlichen konischen Denkmals und der Öffnung darunter.

Die Öffnung des Brunnens

Schon unmittelbar nach der Abhebung von Omphalos und Marmorplatte wurde klar, dass es sich hier um ein bisher einzigartiges Monument handelt, das als wissenschaftliche Sensation gelten kann, das aber auch eine Herausforderung für die archäologische Dokumentationsarbeit darstellt . Unter dem Omphalos befindet sich ein ca. 9 m tiefer, mit Tonzylindern befestigter Brunnen. Mehr als 20 Inschriften auf den Tonzylindern identifizieren den Brunnen als Ort eines Orakels:

ΕΛΘΕ ΜΟΙ Ω ΠΑΙΑΝ ΦΕΡΩΝ ΤΟ ΜΑΝΤEΙΟΝ ΑΛΗΘΕΣ

Übersetzt bedeutet das etwa:
„Komm zu mir, oh Paian, und bringe den wahren Orakelspruch mit".

Es handelt sich also um eine gebetsartig wiederholte Anrufung der Gottheit, wie sie durch den Rat Suchenden, einen Seher (gr. Mantis) oder Priester vorgenommen wurde.

Wissenschaftliche Deutung des Neufunds

Paian (‚der Helfende') ist einer der Beinamen des Apollon, der demnach hier mit seiner Schwester Artemis Soteira (der Rettenden) verehrt wurde. Durch die Inschriften im Brunnen wird das Heiligtum als Ort eines Wasserorakels erkennbar. Das Heiligtum ist auch das einzige bislang bekannte Orakelheiligtum des Apollon (gr. Manteion) in Athen. Der Bezug zum Orakel des Apollon von Delphi - auch dort fand bekanntlich die zentrale Kulthandlung an einem Omphalosmonument statt - ist offensichtlich.

Die anschließende Ausgrabung und sorgfältige Dokumentation des Brunnens fand unter schwierigen Bedingungen und unter Beachtung zahlreicher Sicherheitsvorkehrungen statt, da der 9 Meter tiefe Schacht mit nur ca. 65 cm Durchmesser wenig Bewegungsspielraum bietet .

Wie geht es weiter?

Der außergewöhnliche Fund beantwortet durch seine Inschriften die zu Beginn der Kampagne formulierten Fragen eindeutig, durch seine Einzigartigkeit wirft er aber auch viele neue Fragen auf. Die Vorbereitungen zur Präsentation des Fundes für Besucher des Kerameikos laufen auf Hochtouren. Geplant sind eine Präsentation im Gelände sowie die Aufstellung der Marmororiginale im Museum. Für diese Arbeiten besteht eine fruchtbare Kooperation mit der Ephorie Athens unter Leitung von Dr. Eleni Banou. Abgüsse des Omphalos wurden durch das Restauratorenteam der Kerameikosgrabung des Deutschen Archäologischen Instituts bereits hergestellt.


Den Artikel finden Sie unter:

https://www.dainst.org/presse/pressemitteilung/-/article-display/L11mBpjClzu5/1229018

Quelle: Deutsches Archäologisches Institut (09/2015)

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