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Freitag, den 12. Juni 2015 um 08:56 Uhr

Ein himmlischer Schmetterling schlüpft aus seinem staubigen Kokon

Neue Aufnahmen vom Very Large Telescope der ESO haben zum ersten Mal gezeigt, wie ein Objekt, bei dem es sich vermutlich um einen alternden Stern handelt, einen schmetterlingsförmigen planetarischen Nebel hervorbringt. Die Beobachtungen des roten Riesensterns L2 Puppis, die im ZIMPOL-Modus des neu installierten Instruments SPHERE durchgeführt wurden, zeigen auch einen nahen Begleitstern des Roten Riesen. Die letzten Lebensstadien von Sternen, und ganz besonders der Ursprung solcher bipolarer Nebel mit ihrem komplexen und faszinierenden, sanduhrartigem Erscheinungsbild, geben Astronomen auch heute noch Rätsel auf.

Mit einer Entfernung von etwa 200 Lichtjahren ist L2 Puppis einer der nächstgelegenen Roten Riesensterne, von denen bekannt ist, dass sie am Beginn ihrer letzten Lebensphasen stehen. Die neuen Beobachtungen im ZIMPOL-Modus von SPHERE wurden im sichtbaren Licht und unter Verwendung von extremer adaptiver Optik durchgeführt. Diese Methode korrigiert die Abbildung in viel größerem Ausmaß als normale adaptive Optik und ermöglicht eine genauere Untersuchung von lichtschwachen Objekten und Strukturen in der Nachbarschaft heller Quellen. Die hier vorgestellten Ergebnisse sind die ersten publizierten Resultate aus diesem Beobachtungsmodus, und außerdem die detailliertesten für einen derartigen Stern.

ZIMPOL kann Abbildungen erzeugen, die drei Mal schärfer sind als die des NASA/ESA Hubble Space Telescope, und so zeigen auch die neuen Beobachtungen feinste Details in der Staubwolke um L2 Puppis[1]. Sie bestätigen frühere Resultate, die mit NACO gewonnen wurden und nahegelegt hatten, dass der Staub in einer Scheibe angeordnet ist, die wir von der Erde aus beinahe genau von der Kante sehen. Die aktuellen Beobachtungen erlauben eine viel genauere Untersuchung, und die vom ZIMPOL-Modus gelieferten Informationen zur Polarisation des Lichts haben es dem Team ermöglicht, ein dreidimensionales Modell der Staubstrukturen zu erstellen [2].

Die Astronomen haben herausgefunden, dass die Staubscheibe etwa 900 Millionen Kilometer – also etwas mehr als die Distanz von Jupiter zu unserer Sonne – vom Stern entfernt beginnt. Die Scheibe weitet sich dann auf und bildet eine symmetrische, trichterartige Struktur um den Stern. Das Team entdeckte auch eine zweite Lichtquelle etwa 300 Millionen Kilometer entfernt – also der zweifachen Entfernung Erde-Sonne – von L2 Puppis. Es handelt sich bei diesem Begleitstern vermutlich um einen roten Riesen mit vergleichbarer Masse, aber in einem früheren Entwicklungsstadium.

Die Kombination aus der großen Menge Staub, die den sterbenden Stern umgibt, und der Anwesenheit des Begleitsterns bedeutet, dass wir hier genau die Art von System beobachten, bei der wir die Entstehung eines bipolaren Planetarischen Nebels erwarten. Es handelt sich dabei um notwendige Bedingungen, aber vermutlich spielt auch der Zufall eine gewisse Rolle bei der Frage, ob dann aus dem staubigen Kokon auch tatsächlich ein himmlischer Schmetterling schlüpft.

Pierre Kervella, Erstautor der Veröffentlichung, erklärt: “Der Ursprung von bipolaren Planetarischen Nebeln ist eines der großen klassischen Probleme der modernen Astrophysik. Dabei geht es insbesondere um die Frage, wie Sterne ihr Inventar an Metallen zurück ins Weltall befördern. Das ist ein sehr wichtiger Prozess, denn aus diesem Material werden spätere Generationen von Planetensystemen entstehen.”

Zusätzlich zur aufgeweiteten Scheibe von L2 Puppis fand das Team zwei konische Strukturen, die senkrecht aus der Scheibe hervortreten. Innerhalb dieser Strukturen wurden zwei lange, leicht gekrümmte Materiewolken entdeckt. Anhand des Ursprungsorts einer dieser Wolken konnte das Team schlussfolgern, dass es sich bei ihr vermutlich um ein Resultat von Wechselwirkungen zwischen Materie aus der Scheibe von L2 Puppis und dem Sternwind und dem Strahlungsdruck des Begleitsterns handelt. Die andere Wolke ist vermutlich das Ergebnis des Aufeinandertreffens der Winde der beiden Sterne oder das Produkt einer Akkretionsscheibe um den Begleitstern.

Obwohl viele Fragen noch ungeklärt sind, gibt es zurzeit zwei führende Theorien zur Entstehung bipolarer Planetarischer Nebel. Beide setzen ein Doppelsternsystem voraus [3]. Die neuen Beobachtungen legen nahe, dass bei L2 Puppis beide vorgeschlagenen Prozesse eine Rolle spielen. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass dieses System in der Zukunft einen kosmischen Schmetterling hervorbringen wird.

Pierre Kervella schließt: “Da der Begleitstern wenige Jahre für einen Umlauf braucht, erwarten wir beobachten zu können, wie er die Scheibe des Roten Riesen in ihrer Form beeinflusst. Wir werden die Entwicklung der Staubstrukturen in diesem System in Echtzeit verfolgen können. Eine extrem seltene und aufregende Gelegenheit.”


Den Artikel finden Sie unter:

http://www.eso.org/public/germany/news/eso1523/?nolang

Quelle: Europäischen Südsternwarte ESO (06/2015)

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