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Donnerstag, den 05. Februar 2015 um 15:09 Uhr

Embryonen beim Wachsen zusehen

Die Fachzeitschrift „Nature Methods“ hat die von dem Frankfurter Physiker Ernst Stelzer entwickelte Lichtscheiben-Fluoreszenzmikroskopie zur Methode des Jahres 2014 gewählt. Damit kann man über viele Tage hinweg dreidimensionale Filme von Zellen in den Wurzeln lebender Pflanzen oder in den Eiern heranwachsender Insekten- oder Fisch-Embryonen aufnehmen, ohne sie zu schädigen.

FRANKFURT. Die Lichtscheiben- beziehungsweise Lichtblatt-Fluoreszenzmikroskopie (LSFM) ist eine extreme Weiterentwicklung der konfokalen Fluoreszenzmikroskopie. In beiden Verfahren werden fluoreszierende Moleküle, die zum Teil von den Objekten selbst erzeugt werden, zum Leuchten angeregt. Das Problem aller Lichtmikroskope ist, dass Beleuchtung bereits einen Einfluss auf den Stoffwechsel hat. In vielen Zellen werden nämlich die an biochemischen Prozessen beteiligten Moleküle durch Licht geschädigt. Dies wird unter dem Begriff Fototoxizität zusammengefasst. Um die räumliche und zeitliche Verteilung von bestimmten Proteinen (Eiweißen) zu erkennen, verwendet man bei der Fluoreszenzmikroskopie außerdem leuchtfähige Farbstoffe. Leider sind sie nicht lichtecht. Sie verbrauchen sich beziehungsweise bleichen aus, wenn sie angeregt werden.

Beide Probleme treten vor allem dann auf, wenn man dreidimensionale Bilder mit der herkömmlichen konfokalen Lichtmikroskopie aufnehmen will. „Dazu muss man den Fokus des Mikroskops von der Oberfläche bis in die tiefste Schicht des Objekts Ebene für Ebene führen. Dabei werden zwangsläufig jedes Mal alle Schichten beleuchtet, auch wenn sie gar nicht beobachtet werden“, erklärt Stelzer, der seit 2002 an der Entwicklung der LSFM arbeitet. Er ist Professor am Exzellenzcluster Makromolekulare Komplexe der Goethe-Universität.
Ernst Stelzer hatte die Idee, nur jeweils eine Ebene des Objekts, das Objekt also scheibenweise, von der Seite zu beleuchten. Die Kamera, mit der das von den Fluoreszenzfarbstoffen ausgesandte Licht aufgenommen wird, ist senkrecht zu dieser Ebene angeordnet. Der Vorteil: Es wird nur noch diese eine Schicht, die auch beobachtet wird, beleuchtet. Da die ober- und unterhalb liegenden Nachbarschichten nicht beleuchtet werden, werden hier weder die für die Vitalität des Tieres oder der Pflanze wichtigen organischen Moleküle noch die Fluoreszenzfarbstoffe belastet. „Bei einem Zebrafisch-Embryo lässt sich beispielsweise die benötigte Strahlung um zwei bis vier Größenordnungen verringern“, rechnet Stelzer vor. So lässt sich das Wachstum vieler Modell-Embryonen über 50 bis 150 Stunden verfolgen. Da man auch keine Signale von Schichten, die außerhalb des Fokus liegen, erhält, verbessert sich die Qualität der Bilder so erheblich, dass sich dreidimensionale Bildstapel aufzeichnen lassen. LSFM werden also verwendet, um dreidimensionale Prozesse als Funktion der Zeit, also 3D-Filme, zu erzeugen.
Anwendung findet LSFM bereits in den Neurowissenschaften, der Zellbiologie, der Pflanzenbiologie und der Entwicklungsbiologie. Die Methode erlaubt es erstmals auch, vergleichsweise große, aus vielen Zellen bestehende Organismen unter natürlichen (physiologischen) Bedingungen zu beobachten. Sie werden nicht nur unter Bedingungen gehalten, die denen ihres ursprünglichen Lebensraums entsprechen, sie überleben die Beobachtung auch ohne erkennbare Schäden und haben trotz der Beobachtung in einem Mikroskop Nachkommen, die selbst fruchtbar sind. „Das Lichtscheiben-Mikroskop hat bereits begonnen, die Zell-, Pflanzen- und Entwicklungsbiologie zu revolutionieren und wird mit der Zeit weitere Wissenschafts- und Anwendungsfelder beeinflussen“, urteilt Stelzer. Inzwischen werden mehr als 100 dieser Mikroskope in weltweit über 100 Forschergruppen verwendet.


Den Artkel finden Sie unter:

http://www.muk.uni-frankfurt.de/53984351/043?

Quelle: Goethe-Universität Frankfurt am Main (02/2015)

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