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Donnerstag, den 03. Juli 2014 um 07:52 Uhr

Formel errechnet Dicke von bombensicherem Beton

Bei Erdbeben oder Explosionen entstehen große Kräfte. Spannungen im Bereich von mehreren tausend Megapascal wirken im nahen Abstand zu einer Autobombe, aber auch in weiteren Entfernungen zum Detonationsort können noch mehrere hundert Kilopascal Druckbelastung auftreten. Zum Vergleich: Der Luftdruck in einem Fahrradreifen liegt bei etwa drei bar. Das entspricht etwa 300 Kilopascal. »Bei Detonationen ist für den Menschen im größeren Abstand zum Detonationsort aber weniger die Druckwelle gefährlich. Darauf ist unser Körper eigentlich ganz gut eingestellt. Gefährlicher sind herumfliegende Trümmerteile«, erklärt Dr. Alexander Stolz aus der Abteilung »Sicherheitstechnologie und Baulicher Schutz« am Efringen-Kirchener Standort des Freiburger Fraunhofer-Instituts für Kurzzeitdynamik, Ernst Mach-Institut, EMI. Genau das passiert mit herkömmlichem Stahlbeton, wenn dieser von der Druckwelle einer Explosion erfasst wird: Er ist so spröde, dass einzelne, zum Teil große Stücke herausgerissen werden und unkontrolliert durch die Luft fliegen.

Dr. Stephan Hauser, Geschäftsführer der DUCON Europe GmbH & CoKG, hat einen Beton entwickelt, der unter einer solchen Belastung nicht bricht, sondern sich lediglich verformt. Eine spezielle Mischung aus einem sehr festen Hochleistungsbeton und einem feinmaschigen Bewehrungsgitter aus Stahl macht dies möglich. Das EMI unterstützt Hauser seit mehreren Jahren bei der Optimierung seiner patentierten Innovation. Die Forscher sind insbesondere für die dynamischen Qualifikationstests des Materials bei außergewöhnlichen Lasten zuständig. Dazu gehört unter anderem, dass sie den Werkstoff charakterisieren und die Kennlinien zu dessen Bemessung errechnen. Die Wissenschaftler haben eine mathematische Formel ermittelt, die es für jede individuelle Anforderung erlaubt, die Dicke des neuartigen Betons einfach und schnell zu ermitteln. »Bisher geschah dies aus Vergleichswerten heraus und durch Erfahrungswerte. Jetzt können wir einen allgemeingültigen Algorithmus nutzen«, so Stolz.

Die Formel ist während einer Versuchsreihe mit der neuen Stoßrohranlage am Standort Efringen-Kirchen entstanden. »Wir können hier Explosionen unterschiedlicher Sprengkraft simulieren – von 100 bis 2500 Kilogramm TNT in Abständen von 35 bis 50 Metern vor Gebäuden. Und das, ohne Sprengstoff einsetzen zu müssen«, sagt Stolz. Das Prinzip: Das Stoßrohr besteht aus einem Kompressions- und einem Expansionsteil, getrennt durch eine Stahlmembran. Im Kompressionsteil können die Wissenschaftler die Luft auf bis zu 30 bar komprimieren, den Druck also auf den 30-fachen Luftdruck erhöhen. Ist der Druck eingestellt, wird die Stahlmembran angestochen: Die Luft entweicht schlagartig, läuft durch das Expansionsteil hindurch und trifft als ebene Stoßfront auf das Betonelement, das am Ende des Stoßrohrs befestigt ist. »Bei herkömmlichem Beton riss das Rohr Teile heraus und die Wand versagte nahezu schlagartig. Bei der duktilen, also der dehnbaren Variante hat sich der Beton lediglich verformt. Es gab keine Trümmerteile, der Baustoff blieb in sich geschlossen«, sagt Stolz. Wegen seiner duktilen Eigenschaften ist der Beton wesentlich filigraner und gleichzeitig fester als herkömmlicher Stahlbeton. Dünnere Bauteile sind möglich. »Als Faustregel gilt: selbe Festigkeit bei halber Dicke«, so Stolz.

Formel eignet sich auch für Erdbeben- und Explosionsschutz

Die neue Berechnungsformel erlaubt das schnelle Design der Elemente aus dem duktilen Beton. Das hohe Tragpotential des Werkstoffs, der über die Jahre gewonnene Erfahrungsschatz über dessen Möglichkeiten und schließlich die Kenntnis über die Belastungsgrenzen des Materials unter Explosionsbelastung ermöglichten den Einsatz des Sicherheitsbetons beim neuen One World Trade Center in New York. Das Gebäude ruht auf einem 20-geschossigen, bombensicheren Fundament, das über 60 Meter tief reicht. Innerhalb des Gebäudes sind an besonders sicherheitskritischen Stellen insgesamt über mehrere tausend Quadratmeter Sicherheitsbeton verbaut. Der Wolkenkratzer ist in den letzten Jahren an der Südspitze Manhattans in die Höhe gewachsen. An dem Ort, wo am 11. September 2001 die Zwillingstürme des World Trade Centers nach einem beispiellosen Terrorakt in sich zusammenfielen und über 3000 Menschen unter sich begruben. Mit 541,30 Metern ist es das höchste Gebäude der USA und das dritthöchste der Welt. »Mit Hilfe unserer Formel kann nun die Dicke des Betons exakt für die Sicherheitsanforderungen eines solchen speziellen Gebäudes errechnet werden«, sagt Stolz.


Den Artikel finden Sie unter:

http://www.fraunhofer.de/de/presse/presseinformationen/2014/Juli/Durchblick_im_Datenwust.html

Quelle: Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik Ernst-Mach-Institut EMI (07/2014)

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