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Montag, den 07. April 2014 um 10:41 Uhr

Moonwalker-Fliegen im Rückwärtsgang

Barry Dickson, ehemaliger Direktor des IMP in Wien, konnte mit seinem Team aus einer großen Anzahl Taufliegen sogenannte „Moonwalker-Fliegen“ isolieren. In einem ausgeklügelten Screening-Verfahren fanden die Forscher Tiere, die sich nur mehr im Rückwärtsgang fortbewegten. Diese Veränderung der Bewegung konnten die Wissenschaftler auf spezifische Neuronen im Fliegenhirn zurückführen. Die Ergebnisse der Studie werden in der heutigen Ausgabe des Wissenschaftsjournals SCIENCE vorgestellt.

Tiere, die an Land leben, müssen ihre Fortbewegung gelegentlich vom Vorwärts- auf den Rückwärtsmodus umstellen. Dies ist beispielsweise dann erforderlich, wenn ihnen ein Hindernis den Weg verstellt oder wenn Gefahr droht. Die Information zur Umstellung der Gehrichtung wird vom Gehirn über absteigende Nervenbahnen an lokale Bewegungs-Schaltkreise im zentralen Nervensystem weitergeleitet. Dies bewirkt eine Umstellung der zeitlichen Koordination der Fußmuskelaktivierung.

Fliegen mit veränderter Fortbewegungsrichtung

Mit der aktuellen Studie zielten die Forscher um Barry Dickson darauf ab, den Wechsel der Fortbewegungsrichtung bei Fliegen auf der zellulären Ebene zu verstehen. Mit einem neuartigen Ansatz, der als Thermogenetik bekannt ist, konnten sie Hirnzellen identifizieren, die das Umschalten von Vorwärts- auf Rückwärtsbewegung steuern. Dazu wurden Fliegen untersucht, bei denen bestimmte Neuronen (Nervenzellen) durch Wärme aktiviert werden. Das führt dazu, dass diese Fliegen bei einer Temperatur von 30 Grad Celsius typische Verhaltensmuster zeigen, die sie bei 24 Grad nicht erkennen lassen. Auf diese Weise analysierten die Neurobiologen am IMP mehrere tausend Fliegen und identifizierten diejenigen mit veränderten Bewegungsmustern.

Moonwalker-Neuronen steuern Rückwärtsgang

Der thermogenetische Screen brachte vier Fliegenstämme zum Vorschein, die bei Erwärmung auf den Rückwärtsgang umschalten. Die verantwortlichen Hirnzellen wurden von den IMP-Forschern, einer spontanen Assoziation folgend, „Moonwalker-Neuronen“ getauft. Werden diese Nervenzellen mit dem Gift der Tetanus-Bakterien lahmgelegt, so geht die Fähigkeit zum Rückwärtsgehen verloren.

Unter den Moonwalker-Neuronen wurden sowohl aufsteigende als auch absteigende Nervenbahnen identifiziert. Absteigende MDN-Neuronen lassen Fliegen rückwärts marschieren, sobald sie auf ein Hindernis treffen, das sie nicht umgehen können. Die Aktivität der MDN-Zellen im Gehirn reicht aus, um das Rückwärtsgehen der Tiere unter Bedingungen herbeizuführen, unter denen sie sich normalerweise vorwärts bewegen. Die aufsteigenden MAN-Neuronen fördern das anhaltende Rückwärtsgehen, möglicherweise durch Unterdrücken des Vorwärtsgangs.

„Mit unserer Untersuchung konnten wir erstmals Nervenzellen identifizieren, die bei Insekten die Gangrichtung umschalten“, sagt Salil Bidaye, der Erstautor der Studie und ehemals Doktorand bei Barry Dickson. „Damit haben wir einen idealen Zugang für weitere Analysen der Bewegungskoordination bei Fliegen.“

Obwohl es offensichtlich große Unterschiede in der Fortbewegung von Fliegen und Menschen gibt, sind Ähnlichkeiten auf der Ebene der neuronalen Steuerung zu erwarten. Salil Bidaye, der mittlerweile an der Universität Berkeley forscht, erwähnt auch mögliche Anwendungen seiner Erkenntnisse für die Robotik. Derzeit haben etwa Erkundungs- und Bergungsroboter noch Schwierigkeiten bei der Fortbewegung in unwegsamem Gelände. Das robuste Gangverhalten von Insekten dient Entwicklern als Vorbild, ist aber bisher unerreicht. Ein besseres Verständnis der Grundlagen des Insektengangs könnte auch in dieser Hinsicht neue Impulse liefern.


Den Artikel finden Sie unter:

http://www.imp.ac.at/fileadmin/imp/Documents/Press_Releases/2014/140403_PA_Dickson_D.pdf

Quelle: IMP - Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie GmbH (04/2014)


Originalpublikation
Die Arbeit “Neuronal Control of Drosophila Walking Direction” von Salil S. Bidaye, Christian Machacek, Yang Wu und Barry Dickson erscheint am 3 April, 2014 in SCIENCE.

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