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Freitag, den 24. Januar 2014 um 12:54 Uhr

Ein Gitter im Gehirn

Wie schätzen wir innerlich die Entfernung zwischen zwei Orten? Berliner Wissenschaftler entdecken ein gitterartiges Netzwerk von Nervenzellen im Gehirn, das ähnlich wie Gitterlinien auf Stadtplänen bei der Orientierung helfen könnte.

Tiere und Menschen orientieren sich mit Hilfe eines inneren Navigationssystems. In Säugetieren sind zwei Hirnsteile maßgeblich am Aufbau von solchen räumlichen Repräsentationen beteiligt: Der Hippocampus und die entorhinale Hirnrinde. Diese Hirnstrukturen speichern Sinneseindrücke und repräsentieren sie in Form einer kognitiven Karte, einer mentalen Darstellung der räumlichen Struktur der Umwelt. Die Repräsentation des Raumes in der entorhinalen Hirnrinde ist besonders bemerkenswert: Dort finden sich sogenannte Gitterzellen (Englisch: Grid cells). Das sind Nervenzellen, die in räumlichen Gittermustern aktiv sind, wenn sich Tiere fortbewegen. Man nimmt an, dass das Gehirn diese räumlichen Aktivitätsmuster ähnlich einsetzt, wie wir die Gitterlinien auf Stadtplänen oder Landkarten nutzen, um Orte zu lokalisieren oder um Entfernungen zu messen. Unklar war bisher jedoch, wie sich anatomisch im Gehirn ein solches Muster von erregten Nervenzellen bildet.

Ein Team von Wissenschaftlern um den Leibniz-Preisträger Professor Michael Brecht von der Humboldt Universität zu Berlin, dem Exzellenzcluster Neurocure und dem Bernstein Zentrum Berlin hat jetzt ein gitterartiges Netzwerk von Nervenzellen in der entorhinalen Hirnrinde entdeckt. Mithilfe eines Proteins, welches an Kalzium in bestimmten Nervenzellen bindet, machten die Forscher einen kleinen Zellverband sichtbar. Dessen Nervenzellfortsätze bildete im Raum ein sechseckiges Muster, das eine verblüffende Ähnlichkeit mit den bekannten Gittermustern aufwies. Die an dem Netzwerk beteiligten Neurone zeigten außerdem den gleichen charakteristischen Aktivitätsrhythmus wie die Gitterzellen, als die Forscher die Nervenzellaktivität in sich bewegenden Tieren maßen.

„Wir wissen schon länger, dass das Gehirn Gittermuster nutzt, um die Umwelt zu kartieren. Was wir aber bis jetzt nicht verstanden haben, ist, wie das Hirn solche Gittermuster erzeugt. Unser Team hat jetzt die Existenz eines Netzwerks aufgedeckt, das physikalisch so aussieht wie das räumliche Aktivitätsmuster der sogenannten Gitterzellen. Dies könnte darauf hindeuten, dass das von uns entdeckte Nervenzellgitter das zugrundeliegende anatomische Fundament bildet,“ kommentiert Brecht die an diesem Donnerstag in Science erscheinende Arbeit.

Die Entdeckung des neuronalen Netzwerks könnte daher zu verstehen helfen, wie unser Gehirn mentale Karten mit Gitterlinien versieht, anhand denen wir räumliche Distanzen abschätzen können. Weiterhin erhoffen sich die Forscher von dem Fund Aufschluss darüber, wie das räumliche Gedächtnis funktioniert – eine Hirnfunktion, die in vielen Demenzerkrankungen beeinträchtigt ist oder verloren geht. Grundsätzlich könnte die Art, wie das Gehirn räumliche Erinnerungen speichert, der entsprechen, wie es Erinnerungen im Allgemeinen bildet: Wie in den Gedächtnispalästen der antiken Griechen könnten Objekte mit räumlichen Informationen verknüpft sein, um als Gedächtnisstütze zu dienen.


Den Artikel finden Sie unter:

http://www.nncn.de/de/neues/Forschungsergebnisse/ein-gitter-im-gehirn

Quelle: Nationales Bernstein Netzwerk Computational Neuroscience (01/2014)

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