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Samstag, den 30. November 2013 um 06:47 Uhr

Astronomen rätseln über den Zustand des Kometen ISON

In welchem Zustand hat ISON den Höllenritt um die Sonne überstanden? Darüber rätseln die Astronomen seit gestern Abend, nachdem der Komet um 19.37 Uhr das Tagesgestirn in nur gut einer Million Kilometer Abstand passiert hatte und dabei enormen Gezeitenkräften sowie Temperaturen von einigen tausend Grad ausgesetzt war.

Nachdem einige Wissenschaftler ISON in der Nacht für tot erklärt hatten, tauchte auf den Bildern des Weltraum-Observatoriums Soho eine schweifähnliche Struktur auf, die sich von der Sonne entfernt. Dieser Schweif hat sich bisher nicht verflüchtigt - im Gegenteil ist er in den vergangenen Stunden sogar heller geworden. Die Astronomen rätseln nun darüber, was sich hinter diesem Phänomen verbirgt. Denn möglicherweise steckt in diesem Schweif ein Restkern, der die Sonnenpassage heil überlebt hat.

Auf seinem Weg in Richtung Sonne hatte Komet ISON viele Hobbyastronomen zunächst enttäuscht: Die Helligkeit des Schweifsterns, der die Sonnenoberfläche am 28. November in einem Abstand von nur gut einer Million Kilometern passierte, hatte nicht so stark zugenommen, wie zunächst erhofft. Vor zwei Wochen nahm nun die Strahlkraft von ISON sprunghaft zu, gleich mehrere Beobachter vermeldeten einen starken Helligkeitsanstieg. Seitdem hält ISON die Forscher in Atem.

Einen möglichen Hinweis auf die Ursache des Ausbruchs lieferten Bilder des Kometen, die Wissenschaftler des Wendelstein-Observatoriums sowie des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung aufgenommen hatten. Am 14. und am 16. November hatten sie ihr Teleskop auf den Schweifstern gerichtet.

Die Auswertungen zeigen zwei auffällige Strukturen in der Atmosphäre des Kometen, die flügelartig vom Kern ausgehen. Waren diese „Flügel“ am 14. November noch recht schwach, dominieren sie die zwei Tage später aufgenommenen Bilder deutlich. „Solche Strukturen treten typischerweise auf, nachdem sich einzelne Bruchstücke vom Kern eines Kometen abgelöst haben“, sagt Hermann Böhnhardt vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung.

Ebenso wie der Kern des Kometen spucken auch seine Bruchstücke Gas und Staub ins All. Dort, wo sich die Emissionen des Schweifsterns und der kleineren Brocken treffen, entsteht eine Art Trennschicht, die oft eine flügelartige Gestalt annimmt. Ob das Abspalten der Bruchstücke auch für den Helligkeitsanstieg ursächlich war, lässt sich laut Böhnhardt „nicht mit Sicherheit sagen“. Bei anderen Kometen sei ein solcher Zusammenhang jedoch nachgewiesen worden.

Mit bloßem Auge sind die flügelartigen Strukturen in den Aufnahmen nicht erkennbar, erst numerische Verfahren fördern sie in bearbeiteten Bildern zu Tage. Dafür durchforsten die Forscher die Gasumgebung des Kometen am Computer nach Helligkeitsänderungen. Der gleichmäßig helle Hintergrund der Kometenatmosphäre wird herausgerechnet und kann so die schwachen Strukturen nicht mehr überstrahlen. „Unsere Rechnungen deuten darauf hin, dass sich entweder nur ein Brocken abgelöst hat oder höchstens sehr wenige Trümmer freigesetzt wurden“, sagt Böhnhardt. Und: „Die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, dass Kometen, die einmal Bruchstücke verloren haben, dazu tendieren, das wieder zu tun“, so der Kometenforscher.

Dass der Komet gestern beschädigt wurde, scheint festzustehen. Was mit ihm aber genau geschah, ist zur Stunde unklar. Schon kurz nach der Perihelpassage (dem Erreichen des sonnennächsten Bahnpunkts) entspann sich zum Beispiel auf Twitter eine lebhafte Debatte über das Schicksal des Schweifsterns. Laien und Profis schienen gleichermaßen verwirrt und uneins über das Schicksal von ISON. Die Analyse weiterer Bilder sollte ein wenig mehr Klarheit über die schweifartige Struktur bringen, die ihren Weg durch den Weltraum fortsetzt und dabei offenbar an Helligkeit zunimmt.


Den Artikel finden Sie unter:

http://www.mpg.de/7619613/ison_gefluegelter_komet

Quelle: Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (11/2013)

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