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Montag, den 24. Juni 2013 um 10:11 Uhr

Staubige Überraschung am Schwarzen Loch

Detailreich wie nie sind die Aufnahmen von Staub, die das „Very Large Telescope Interferometer“ (VLTI) der Europäischen Sternwarte (ESO) um ein riesiges Schwarzes Loch im Zentrum einer aktiven Galaxie geliefert hat. Der strahlende Staub wurde zum Großteil ober- und unterhalb des Toruses entdeckt und nicht – wie vermutet – in gleichmäßiger, ringförmiger Anordnung um das Loch herum. Die Beobachtungen zeigen, dass Staub offenbar durch einen kühlen Wind von dem Schwarzen Loch weggedrückt wird – eine überraschende Entdeckung, die gängige Theorien in Frage stellt und die zudem zeigt, wie sich supermassenreiche Schwarze Löcher entwickeln und mit ihrer Umgebung interagieren.

In den vergangenen 20 Jahren haben Astronominnen und Astronomen im Zentrum fast aller Galaxien riesige Schwarze Löcher entdeckt. Einige dieser Schwarzen Löcher wachsen, indem sie Materie aus ihrer Umgebung anziehen. Dadurch werden sie zu den energiereichsten Objekten, die es im Universum überhaupt gibt: aktive galaktische Kerne („active galactic nuclei“, AGN). Die zentralen Bereiche dieser einzigartigen Kraftwerke sind umgeben von ringförmig angeordnetem kosmischen Staub [1] („Doughnuts“), der aus dem Weltraum gezogen wird – ähnlich wie Wasser einen kleinen Strudel bildet, wenn es durch einen Abfluss fließt.

Bisher hatte man angenommen, dass der größte Teil der starken Infrarotstrahlung von AGN im Zentrum der Doughnuts oder Tori kommt. Neue Beobachtungen der uns nahegelegenen aktiven Galaxie NGC 3783 haben jetzt jedoch für eine Überraschung gesorgt. Als die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler durch das VLTI der Europäischen Sternwarte in Paranal, Chile [2], blickten, entdeckten sie, dass sich der 700 bis 1000 Grad heiße Staub tatsächlich zu einem ringförmigen Torus formt. Zusätzlich fanden sie riesige Mengen kühleren Staubes, der sich ober- und unterhalb des Torus abgelagert hat [3].

„Es ist uns zum ersten Mal gelungen, detailreiche, im mittleren Infrarotbereich liegende Beobachtungen vom kühlen Staub um das AGN herum mit ebenfalls detailreichen Beobachtungen des sehr heißen Staubes zu kombinieren. Zeitgleich stellt es die größte Reihe infraroter Interferometrie dar, die es je für ein AGN gab“, sagt Sebastian Hönig (University of California Santa Barbara, USA und Christian-Albrechts-Universität zu Kiel), Hauptverfasser der Arbeit, die die neuen Funde präsentiert.

Der neu entdeckte Staub bildet einen kühlen Wind, der aus dem Schwarzen Loch herausweht. Dieser Wind spielt den Wissenschaftlern zufolge eine wichtige Rolle innerhalb des komplexen Zusammenspiels zwischen Schwarzen Löchern und ihrer Umgebung. Ein Schwarzes Loch stillt dabei seinen unersättlichen Appetit durch das es umgebende Material. Zeitgleich scheint die dadurch entstehende Strahlung das Material wegzublasen. Es ist immer noch unklar, wie diese beiden Prozesse ineinandergreifen und es insbesondere supermassiven Schwarzen Löchern erlauben, sich innerhalb von Galaxien zu entwickeln und zu wachsen. Die Entdeckung des staubgeladenen Windes ist ein weiteres wichtiges Puzzleteil, um diese Prozesse entschlüsseln zu können.

Um auch die zentralen Bereiche des NGC 3783 untersuchen zu können, mussten die Astronomen die Leistung aller Einzelteleskope des VLT nutzen. Nur so entstand ein Interferometer, das so auflösungsstark wie ein 130-Meter Teleskop ist. Gerd Weigelt (Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn), ebenfalls an der Entdeckung beteiligt, erklärt das so: „Durch die Kombination der einzigartigen Empfindlichkeit der großen Spiegel des VLT mit Interferometrie ist es uns gelungen, genug Licht einzufangen, um schwach strahlende Objekte beobachten zu können. So können wir eine Region studieren, die so klein ist wie die Entfernung von unserer Sonne zu ihrem nächstgelegenen Stern – und das in einer Galaxie die mehrere zehn Millionen Lichtjahre von uns entfernt liegt. Kein anderes optisches oder Infrarot-System ist dazu momentan in der Lage.“

Die neuen Funde könnten zu einem Paradigmenwechsel im Hinblick auf das Verständnis von AGN führen. Sie beweisen, dass Staub durch die immense Strahlung aus dem Schwarzen Loch herausgedrückt wird. Künftig werden Modelle, die die Verteilung des Staubes und das Wachstum und die Entwicklung Schwarzer Löcher beschreiben, die neuen Untersuchungsergebnisse berücksichtigen müssen. „Ich freue mich schon auf MATISSE, das uns in die Lage versetzen wird, alle vier VLT Einzelteleskope zu verbinden und somit zeitgleich im nahen und mittleren Infrarotbereich zu beobachten“, schwärmt Hönig. „Das wird uns noch detailliertere Daten liefern.“ MATISSE ist eine neue Gerätegeneration für das VLTI und befindet sich zurzeit im Bau.


Den Artikel finden Sie unter:

http://www.uni-kiel.de/aktuell/pm/2013/2013-176-schwarzes-loch.shtml

Quelle: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (06/2013)

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