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Freitag, den 18. Januar 2013 um 20:18 Uhr

IMP-Forscher beleuchten die „dunkle Materie“ der Erbsubstanz

Welche Gene in einer Zelle aktiv sind, wird von tausenden Regulations-Abschnitten auf der DNA gesteuert. Wissenschaftler am Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien entwickelten eine Methode, die diese Abschnitte effizient und vollständig aufspürt und deren Aktivität misst. Die Zeitschrift Science stellt die neue Technologie vor.
Der genetische Code ist ein Alphabet aus vier Buchstaben, deren Reihenfolge die Information für die Entwicklung und Funktion eines gesamten Organismus enthält. Die Anleitung für die Proteine als Bausteine des Lebens ist in den Genen kodiert. Doch nur ein Bruchteil der DNA einer Zelle besteht aus Genen, beim Menschen sind es etwa zwei Prozent. Der Rest ist nicht-kodierende DNA, die früher abwertend als Schrott bezeichnet wurde. Zutreffender ist da schon der Begriff „dark matter“, dunkle Materie, und so langsam kommt Licht in diesen Bereich unserer Erbsubstanz.

Die nicht-kodierenden Abschnitte auf der DNA sind keineswegs nur Müll. Unter anderem enthalten sie Bereiche, die die Aktivität von Genen regulieren. Da jede Zelle des Körpers eine identische Kopie der Erbinformation enthält, sorgen sogenannte „Enhancer“ (Verstärker) dafür, dass Gene nur zum jeweils passenden Zeitpunkt und im entsprechenden Gewebe aktiv sind: das Hämoglobin-Gen etwa in den Vorläuferzellen der roten Blutkörperchen, Gene für Verdauungsenzyme im Magen. Ist diese exakt abgestimmte zeitliche und örtliche Regulation gestört, so können falsche Gene aktiviert werden und den Zellen unerwünschte Eigenschaften verleihen, bis hin zur Entartung in Krebszellen.

Trotz der enormen Bedeutung der regulierenden DNA-Abschnitte war es bisher nur sehr eingeschränkt möglich, diese im gesamten Genom zu studieren. Es standen lediglich indirekte Methoden zur Identifizierung solcher Abschnitte zur Verfügung, die überdies anfällig für Fehler waren.

Wissenschaftler um Alexander Stark am Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie in Wien konnten diese Lücke nun schließen. Unterstützt vom Europäischen Forschungsrat ERC entwickelten sie eine neue Technologie namens „STARR-seq“ (self-transcribing active regulatory region sequencing), die sie in der Zeitschrift Science vorstellen.*) Die Methode erlaubt es, Enhancer-Sequenzen in der DNA nicht nur vollständig und rasch aufzuspüren, sondern gleichzeitig auch ihre jeweilige Aktivität quantitativ zu bestimmen, das heißt starke von schwachen Enhancern zu unterscheiden.

Der Doktorand Cosmas Arnold hat die neue Technologie maßgeblich entwickelt und mit Hilfe des Bioinformatikers Daniel Gerlach auf Zell-Linien von Taufliegen angewendet. Dabei gewannen die Forscher bereits einige überraschende Erkenntnisse: Starke Enhancer wurden sowohl für sogenannte Haushaltsgene gefunden, die in jeder Zellen aktiv sind, wie auch für regulierte Gene, die für den jeweiligen Zelltyp spezifisch sind. Und erstmals konnte mit der Methode gezeigt werden, dass so gut wie alle Gene von mehreren Enhancern reguliert werden – eine Redundanz, die die Forscher als eine Art Sicherheitsnetz der Zelle interpretieren, das die Steuerung robuster macht.

Die neue Methode kombiniert die enorme Leistungsfähigkeit moderner Sequenziergeräte mit dem spezialisierten Know-how der Bioinformatiker am IMP. Für Alexander Stark ist sie ein äußerst wertvolles Werkzeug, von dem er sich viel verspricht: „Wir nutzen STARR-seq wie eine Art magisches Mikroskop, das die regulatorischen DNA-Abschnitte des Genoms sichtbar und zugänglich macht. Nun können wir erstmals flächendeckend untersuchen, wie Gene reguliert werden und wie diese Regulation im Genom verankert ist“.

Neben der Genregulation im Lauf der normalen Entwicklung interessiert die IMP-Forscher auch, auf welche Weise fehlgeleitete Steuerung zu Erkrankungen bis hin zu Krebs führt. Gerade Mutationen in nicht-kodierenden DNA-Abschnitten haben sich bisher einer Analyse weitgehend entzogen, können aber weitreichende Folgen haben.


Den Artikel finden Sie unter:

http://www.imp.ac.at/fileadmin/imp/Documents/Press_Releases/2013/130117_PA_Stark_D_final.pdf

Quelle: IMP - Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie GmbH (01/2013)

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