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Dienstag, den 20. Dezember 2011 um 06:55 Uhr

Eine Forschungsorgel für die Orgelforschung

Für die Untersuchung klanglicher Fragen steht den Wissenschaftlern des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP eine einzigartige Forschungsorgel zur Verfügung. Seit vielen Jahren widmet sich das Fraunhofer IBP unter anderem der wissenschaftlichen Orgel- und Kirchenakustik und der Erforschung europäischer Musikinstrumente. Die Bewahrung und Weiterentwicklung ihres Klangs mit Hilfe moderner Technologien stehen im Fokus von Verbundforschungen mit anderen wissenschaftlichen Einrichtungen und vielen europäischen Orgelbauern.
Die Symbiose von Ingenieurswissen und Instrumentenbau trägt zur Erweiterung des Klangwissens bei und schafft neue Verbindungen von Physik und Musik, von Wissenschaft und Kunst. Die Werkstätte für Orgelbau Mühleisen, Leonberg, hat die Forschungsorgel für das Institut gebaut. Forschungsarbeiten erfolgen in Kooperation mit der Universität Stuttgart.
Viele Messungen waren bisher an einem so komplexen und fest installiertem System wie einer Kirchenorgel nicht oder nur eingeschränkt möglich. Einzelne Arbeitsschritte mussten gesondert im Labor an Orgelmodellen erfolgen. Auch neu entwickelte Teile konnten nur im Labor an Modellen getestet werden. »Viele Lippenorgelpfeifen wurden mithilfe von einer in einem europäischen Forschungsprojekt entwickelten Software entworfen« führt Dr. rer. nat Judit Judit Angster aus. Die Orgel ermöglicht jetzt komplexe Messungen und Untersuchungen direkt am Objekt.
Besucher von Kirchenkonzerten wissen aus eigener Erfahrung, jede Orgel klingt anders. »Prinzipiell ist jede Orgel im Vergleich zu anderen Musikinstrumenten ein Unikat, das hinsichtlich ihrer äußeren Erscheinung und klanglichen Aussage absolute Individualität beanspruchen darf. Was den Reichtum ihrer Klangfarben, den Tonumfang und die Dynamik ihrer Lautstärke betrifft, so kann allenfalls ein Orchester zum Vergleich herangezogen werden», erläutert Dr. Angster die Komplexität der Orgelforschung.
Die raffinierte Ausführung der Orgel erschließt sich dem Betrachter meist erst auf den zweiten Blick, denn musizieren kann die Forschungsorgel ohne Einschränkung. So ist das Innenleben sichtbar und jeder kann die vielschichtige Funktionsweise des Instrumentes studieren. Gehäuseteile wie z.B. das Beistoßbrett, und ein Teil der Spundverschlüsse sind aus Acrylglas angefertigt. Oder das Windsystem – »die Lunge» der Orgel, die bei der Klangentstehung und -gestaltung eine sehr wichtige Rolle spielt –ist auf ein innovatives System umschaltbar und kann mit einer vereinfachten Methode zu dem gewünschten Klang führen.
Eine Windlade eines Manuals ist austauschbar, um neuartige Ventile und Pfeifenanordnungen zu erproben. Ebenso erlauben die Pfeifenstöcke einen späteren Tausch für Versuche mit innovativen Pfeifenformen. Die große Octave kann wahlweise auch ebenerdig gestellt werden, um Versuche mit offenen 8’- Pfeifen durchzuführen. In die Windladen vom Manual I wurden mehrere Leerkanzellen eingebaut. Diese sind mit einem Ventil ausgestattet, welches von Hand zu betätigten ist. Ein Teil der Kanzellen ist an der Oberseite mit abnehmbaren Verschlüssen versehen. Hier können unter anderem Versuche und Experimente mit dem Windfluss in den Kanzellen, mit Kanzellenquerschnitten/Reso¬nanzen und mit Auslassbohrungen durchgeführt werden.
Ein quer verlaufender Windkanal dient der Windverteilung und ist mit zwei Kammern ausgestattet. Damit sind alle Versuche mit Windrückführungen und neuartigen Auslassventilen möglich. Für neu zu entwerfende elektrische Ventile und deren Ansteuerung wurden entsprechende Vorbereitungen getroffen. So ist z.B. in der Klaviaturkonstruktion der spätere Einbau von elektrischen Kontakten berücksichtigt Ein Teil der Pfeifenstöcke ist so angelegt, dass ein späterer Tausch für Versuche mit neuartigen Pfeifenformen bzw. – Mensuren problemlos möglich ist. Dazu ist auch im Hauptwerk an vorderer Stelle eine Leerschleife eingebaut worden. Die Windstöcke auf der Leerschleife erhielten ein in der Höhe regulierbares Rasterbrett für verschiedene Pfeifen-durchmesser. Um auch Versuche mit unterschiedlichen Winddrücken und Motordrehzahlen zu ermöglichen, ist das Gebläse über einen Frequenzumrichter in Verbindung mit einem Druckfühler gesteuert. Weiterhin ermöglichen diese Vorrichtungen den Vergleich einer elektronisch gesteuerten Windanlage mit einer herkömmlich regulierten Windanlage.
Zu Vorführzwecken wurden zwei Zungenstiefel aus Acrylglas transparent zum Einbau vorbereitet. Diese können mit einer aufschlagenden und einer durchschlagenden Zunge versehen werden. Die Schwingungen können mit Hilfe eines Stroboskops sichtbar gemacht werden. Auch die Reaktion auf verschiedene Winddrücke kann demonstriert werden. Neu entwickelte, austauschbare Jalousien sind im Schwellwerk montiert, wodurch eine bessere Schallabstrahlung und eine größere Dynamik in der Orgelmusik erreicht werden kann. Die Schwellerfront ist austauschbar, so das auch andere Jalousienkonstruktionen getestet werden können.

Den Artikel finden Sie unter:

http://www.idw-online.de/de/news456951

Quelle:  Informationsdienst Wissenschaft / Fraunhofer-Gesellschaft  (12/2011)

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