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Montag, den 14. November 2011 um 06:15 Uhr

Immuntherapie – Kampf dem Krebs mit eigenen Zellen

So wie jeder Mensch anders ist, ist auch jeder Krebs anders. Eine wirksame Heilmethode für alle gibt es nicht, in fast 100 Prozent der Fälle kommt der Tumor auch nach einer Operation wieder zurück. Am Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie IZI in Leipzig forschen Wissenschaftler jetzt gemeinsam mit Pharmaherstellern an einer personalisierten Immuntherapie, um diesen Rückfall möglichst lange zu verhindern. Dabei sollen modifizierte körpereigene Zellen das Immunsystem aktivieren, um den Tumor gezielt zu bekämpfen.

Krebs ist eine der größten Herausforderungen für die moderne Medizin. Laut Robert Koch Institut gab es 2010 in Deutschland ca. 450.000 Fälle von Neuerkrankungen. Zwar gibt es Therapieansätze, doch heilbar sind die bösartigen Tumore in der Regel nicht. Aus diesem Grund ist die Onkologie eines der Felder, in der personalisierte Medikamente besonders auf dem Vormarsch sind. Je genauer ein Medikament auf den Patienten abgestimmt ist, desto höher liegen die Chancen, den Krebs behandeln zu können. Das Ziel der Wissenschaftler ist es, den Kranken eine möglichst lange beschwerdefreie Zeit zu ermöglichen und das Wachstum der Tumore einzudämmen. Um das zu schaffen, konzentrieren sich inzwischen viele Arzneimittelhersteller auf die Kraft des körpereigenen Immunsystems. Um die natürliche Abwehrreaktion zu verstärken, benutzen sie Immunzellen aus dem Blut der Patienten und kombinieren diese außerhalb des Körpers mit Bruchstücken der Krebszellen. Diese Prozedur bewirkt, dass die Immunzellen den Tumor erkennen und und ihn bekämpfen, ähnlich gewöhnlichen Krankheitserregern nach einer Immunisierung.

Das Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie IZI in Leipzig unterstützt mehrere Firmen bei der Herstellung neuer zellbasierter Therapeutika und kümmert sich dabei um die Zulassung der Herstellungsverfahren in Europa und die Bereitstellung der klinischen Prüfpräparate zur Durchführung von Patientenstudien. »Wir transferieren gerade den Herstellungsprozess aus Amerika an unser Institut und passen ihn an den europäischen Markt an«, beschreibt Dr. Gerno Schmiedeknecht, Leiter Abteilung Zelltechniken am Fraunhofer IZI die Aufgabe des Instituts.

Die Entwicklung eines neuen Medikaments erfordert viel Zeit und Aufwand, weshalb die Erfahrung und die Ausstattung des Instituts für die ausländischen Partnerfirmen ausgesprochen hilfreich ist. Im weiteren Verlauf der Kooperation soll das Fraunhofer-Institut dann auch das klinische Prüfpräparat herstellen. Ein Partner des Fraunhofer IZI, das amerikanische Biotechnologieunternehmen Northwest Biotherapeutics, forscht seit mehr als zehn Jahren an einer körpereigenen (autologen) Immuntherapie gegen eine gefährliche Form von Hirnkrebs, auch GBM (Glioblastoma multiforme braincancer) genannt. In den USA durchläuft das Medikament DCVax® derzeit schon eine klinische Studie der Phase 2, an der 240  Patienten teilnehmen. Mit Hilfe des Fraunhofer-Instituts soll dieser Medikamententyp bald auch für den europäischen Markt zugelassen werden. Dr. Gerno Schmiedeknecht ist zuversichtlich, dass diese komplexe, individuelle Therapie Erfolg haben könnte. Doch er weiß auch, dass für die Entwicklung personalisierter Produkte noch viel Arbeit und Forschung nötig ist: »Es steckt ein sehr aufwendiges Verfahren hinter dieser Therapie. Wir brauchen schließlich sowohl Teile des Tumors als auch noch weitere körpereigene Zellen und müssen diese reinigen, kultivieren und im Labor behandeln. All diese Vorgänge sind momentan nicht automatisierbar«.

Tumorzellen  zur Immunisierung

Der Ansatz der Immuntherapie besteht darin, den Patienten eigene weiße Blutzellen, sogenannte Monozyten, das Ausgangsmaterial für Dendritische Zellen, zu entnehmen und diese im Labor mit Bruchstücken der entfernten Tumorzellen in Berührung zu bringen. Die Dendritischen Zellen vereinnahmen diese körperfremden Proteine und präsentieren Teile davon auf ihrer Oberfläche. Wie bei einer Grippeimpfung wird dem Immunsystem so beigebracht, welche Zellen es angreifen muss. Zurück im Körper sind die gewonnenen Dendritischen Zellen dann sofort in der Lage, T- und B-Lymphozyten sowie Killerzellen zu aktivieren und auf die Tumorzellen zu lenken So werden sie zu Befehlshabern des körpereigenen Verteidigungsapparates und veranlassen die verschiedensten Teile des Immunsystems, gegen genau die Krebszellen vorzugehen, deren Oberflächenstrukturen durch die Dendritischen Zellen präsentiert werden. Da diese Abwehrreaktion auf natürlichen körpereigenen Vorgängen beruht, zieht sie kaum Nebenwirkungen nach sich und ist so weit besser verträglich als eine Chemotherapie oder ein operativer Eingriff, sie ist aber kein Ersatz für diese Art der Behandlung. »DCVax®  Brain ist nur eine zusätzliche Therapieform; eine Immunisierung neben der Standardtherapie«, erklärt Gerno Schmiedeknecht. »Fast alle Betroffenen kriegen einen Rückfall und dieses Wiederauftreten des Tumors wollen wir verhindern und ein längeres Überleben sichern.»

Bis zur Marktreife einer solchen autologen Immuntherapie wird aber noch einige Zeit vergehen. Die Therapie ist jetzt nach mehr als einem Jahrzehnt in der letzten Entwicklungsphase. Eine große, 240 Patienten umfassende, klinische Studie wird derzeit in den USA durchgeführt, in Deutschland ist eine Studie mit etwa 90 Patienten für das nächste Frühjahr geplant.

Die ersten Studienergebnisse aus zwei vorhergehenden klinischen Studien in den USA der Phase I/II sind vielversprechend: Bei einer herkömmlichen Behandlung (Operation, in Verbindung mit Bestrahlung und Chemotherapie) trat der Tumor im Durchschnitt nach nicht einmal sieben Monaten erneut auf, während sich diese Zeitspanne bei Patienten, die mit DCVax® behandelt wurden, im Durchschnitt auf zwei Jahre erhöhte. Bei Patienten, die mit DCVax® behandelt wurden, erhöhte sich die durchschnittliche Überlebensdauer fast auf das Dreifache, nämlich von 14,6 Monate auf drei Jahre, im Vergleich zu Patienten, die eine herkömmliche Therapie erhielten. Zudem ist zu erwähnen, dass bei keinem Patienten schädliche Nebenwirkungen durch die Immuntherapie festgestellt werden konnten.

Wenn sowohl die große klinische Studie, die zurzeit in den USA läuft, als auch die Studie, die in Deutschland im Frühjahr 2012 geplant ist, ähnliche Ergebnisse liefern wie die Vorgängerstudie, will das amerikanische Unternehmen Northwest Biotherapeutics eine beschleunigte Zulassung bewirken, damit die Therapie schnell für viele Patienten zugänglich wird.



Den Artikel finden Sie unter:

http://www.fraunhofer.de/de/fraunhofer-forschungsthemen/gesundheit-ernaehrung-umwelt/Medikamentenentwicklung/personalisierte-immuntherapie.html

Quelle: Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie (11/2011)

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