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Freitag, den 11. November 2011 um 06:45 Uhr

Der Wald als Kohlenstoffspeicher

Dem Wald werden verschiedene Leistungen zugesprochen, die eher ins Reich der Mythen gehören. So soll der Wald wie eine Lunge funktionieren, Sauerstoff produzieren, Wasser speichern und jenes Kohlendioxid wieder einfangen, das wir im Übermass aus fossilen Quellen produzieren. Mit solchen Fragen beschäftigt sich die Forschungsgruppe um Prof. Dr. Christan Körner am Botanischen Institut der Universität Basel.

Kein Wald auf dieser Welt produzierte jemals netto Sauerstoff, es sei denn, die toten Stämme versanken in einem Moor oder See, sodass sie nicht verrotten konnten. Wie kann das sein, fragt man sich, nimmt doch bekanntlich jede Pflanze bei der Photosynthese CO2 auf und gibt den aus der Wasserspaltung übrigen Sauerstoff ab, um aus dem resultierenden Zucker ihre Körpersubstanz aufzubauen?

Diese Sicht ignoriert, dass am Ende des Baumlebens, beim biologischen Abbau oder beim Verbrennen, genau jene Menge an Kohlenstoff als CO2 frei gesetzt wird, die ursprünglich der Luft beim Wachstum entzogen worden war. Der Sauerstoff-Kohlenstoff-Kreislauf ist somit geschlossen. Die Natur betreibt perfektes Recycling. Wäre es anders, würde der Wald im eigenen Abfall ersticken.

Auch Bodenhumus und Bauholz sind Teile dieses Kreislaufes; der Kohlenstoff befindet sich dort nur in einer etwas längeren Warteschlaufe, bis der Kreislauf geschlossen wird. Aus diesem Grund kann man im bestehenden Wald oder in Gebäuden nur dann zusätzlichen Kohlenstoff speichern, wenn man den Wald nicht oder weniger nutzt, und die Bäume sehr alt werden lässt, und wenn man die Menge an verbautem Holz erhöht. Solange der Wald nachhaltig als Rohstoff- und Energiequelle genutzt wird und der Anteil an verbautem Holz nicht zunimmt, lassen sich diese Kohlenstoffvorräte nicht erhöhen. Die Hälfte von Holz besteht ja aus Kohlenstoff. Einzig eine Vergrösserung der Waldfläche oder (in kleinem Ausmass) die Vermehrung von Holz am Bau könnten einen zusätzlichen Kohlenstoffspeicher schaffen, doch wären diese neuen Speicher nur einmal «auffüllbar», weil danach auch dort die Naturgesetze des Recyclings herrschen.

Im politischen Diskurs existiert leider noch immer die naive Hoffnung, dass der bestehende Wald netto Kohlenstoff schluckt, und dass er dies umso mehr tut, je mehr die Photosynthese mit zusätzlichem CO2 in der Luft gesteigert wird. Aus dieser Sicht wäre die durch den Menschen verursachte CO2-Anreicherung der Luft Doping für den Wald. Im Rahmen eines langjährigen Forschungsprojekts an unserer Forschungsstation im solothurnischen Hofstetten bei Basel konnten wir diese – schon aus theoretischen Überlegungen unsinnige These – widerlegen. Ein naturnaher Wald wächst nicht schneller, wenn man ihn mit künstlich erhöhtem CO2 versorgt. Der Grund liegt darin, dass der Körper aller Organismen nicht nur aus Kohlenstoff besteht, sondern auch andere, wichtige Elemente wie Phosphor, Schwefel, Kalium, Magnesium, Mangan und Eisen enthält, deren Angebot sich ja nicht vermehrt. Um all diese Bodennährstoffe stehen die Pflanzen seit Urzeiten in Konkurrenz zueinander, woran auch das erhöhte Angebot an Kohlenstoff nichts ändert. Lediglich Stickstoff kommt mit dem sauren Regen im Übermass ins Ökosystem.

Dem Wald sollten also keine Leistungen angedichtet werden, die er nicht hat. Unbestritten sind die Funktionen des Waldes als wirksamster Bodenschutz, Lawinenschutz, als Lebensraum für Tiere, als Klimaregulator und Regenfilter, als Lieferant des wertvollen, nachwachsenden Rohstoffes Holz und als wunderschöner, artenreicher Teil der Natur, in dem sich der Mensch klein vorkommt und in dem er seit Urzeiten Gefahren witterte aber auch Schutz suchte.


Den Artikel finden Sie unter:

http://www.unibas.ch/index.cfm?uuid=6F431AA9AB402877F7F31943666D62FD&type=search&show_long=1

Quelle: Universität Basel  (11/2011)


Weiterführende Literatur
Der Wald in einer CO2-reichen Welt: Christian Körner, Martin Bader, Lehrmittelverlag Kanton Solothurn, 2010, ISBN 978-3-905470-50-5.


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