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Mittwoch, den 04. April 2018 um 15:06 Uhr

Tief ins Innere von Perseus A

Einem internationalen Forscherteam unter Beteiligung von Wissenschaftlern vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie ist es gelungen, neu gebildete Plasmajets in der Umgebung eines massereichen Schwarzen Lochs im Zentrum einer aktiven Galaxie mit bisher unerreichter Genauigkeit abzubilden. Radiobilder mit Hilfe einer Kombination von miteinander vernetzten Teleskopen auf der Erde und im Weltraum ermöglichen die Auflösung der Jetstruktur auf nur einige Hundert Schwarzschildradien oder 0,033 Lichtjahre von der Startposition des Jets.

Schwarze Löcher mit einigen Milliarden Sonnenmassen treten in den Zentren von allen massereichen Galaxien auf. Es ist bereits länger bekannt, dass von einigen dieser massereichen Schwarzen Löcher spektakuläre Plasmajets ausgehen, wobei fast lichtschnelles Plasma aus dem direkten Umfeld des Schwarzen Lochs abgestrahlt wird, die sich bis weit außerhalb der Grenzen ihrer Muttergalaxie erstrecken können. Wie diese Jets sich bilden, ist ein schon lange bestehendes Rätsel. Eine der Hauptschwierigkeiten bei dessen Lösung liegt darin, dass es bisher nich möglich war, die Strukturen der vom Schwarzen Loch ausgehenden Jets genügend nahe am Startpunkt abzubilden. Das ist erforderlich für einen dirtekten Vergleich der Beobachtungen mit theoretischen Rechnungen und Computermodellen zur Entstehung der Jets.

Ein internationales Team mit Wissenschaftlern aus acht Ländern hat es nun geschafft, Bilder des Jets im Umfeld des massereichen Schwarzen Lochs in der gigantischen Galaxie NGC 1275 (bekannt als Radioquelle unter den Bezeichnungen Perseus A oder 3C 84) in höchster Winkelauflösung zu erhalten. Damit können Strukturen im Jet 10mal näher an der Zentralquelle räumlich aufgelöst werden als es vorher nur mit erdgebundenen Radioteleskopen möglich war – das lässt vorher nicht sichtbare Details direkt in der Region der Entstehung des Jets erkennen.

„Das Ergebnis war erstaunlich. Es zeigt sich, dass die gemessene Breitenausdehnung des Jets wesentlich größer ist als von den zur Zeit favorisierten Modellen zur Jetentstehung zu erwarten wäre. Danach entsteht der Jet direkt in der Ergosphäre, dem Bereich unmittelbar außerhalb des Ereignishorizonts eines rotierenden Schwarzen Lochs, in dem der Raum selbst in eine Kreisbewegung um das Schwarze Loch gezogen wird“, erklärt der Erstautor der Veröffentlichung in „Nature Astronomy“, Professor Gabriele Giovannini vom Nationalen Institut für Astrophysik (INAF) in Italien.

„Das könnte andeuten, dass zumindest der äußere Teil des Jets von der Akkretionsscheibe ausgeht, die das Schwarze Loch umgibt. Unsere Ergebnisse zeigen noch nicht schlüssig, dass die derzeitigen Modelle, in denen der Jet von der Ergosphäre ausgeht, falsch sind, aber sie ermöglichen den Theoretikern doch einsichten in die Struktur der Jets nahe am Ausgangspunkt und damit Hinweise zur Weiterentwicklung der Mosdelle“, ergänzt der Leiter des RadioAstron-Beobachtungsprogramms, in dessen Rahmen die Ergebnisse erhalten wurden, Dr. Tuomas Savolainen von der Aalto-Universität in Finnland.

Die Untersuchung zeigt weiterhin, dass die Jetstruktur in NGC 1275 deutlich von der Struktur des Jets in der relativ nahen Galaxie Messier 87 abweicht, der einzigen anderen Galaxie, in der die Struktur des Jets mit Beobachtungen entsprechend nahe am zentralen Schwarzen Loch abgebildet werden konnte. Die Forscher glauben, dass die beobachtete Abweichung auf einen Altersunterschied zwischen den beiden Jets zurückgeführt werden kann. „Der Jet in NGC 1275 wurde vor gut 10 Jahren erst neu gestartet und ist immer noch in seiner Ausformung begriffen. Das bietet eine einzigartige Gelegenheit, das Wachstum des Jets an einem Schwarzen Loch in einer sehr frühen Phase zu verfolgen“, erklärt Professor Masanori Nakamura von der Academia Sinica in Taiwan.

„Die Untersuchung des Zentralbereichs von NGC 1275 setzt unser Forschungsprogramm zu aktiven Galaxienkernen bei höchstmöglicher Auflösung fort. Mit einer Entfernung von gerade mal 70 Megaparsec oder 230 Millionen Lichtjahren bis zu dieser Galaxie sind wir in der Lage, die Struktur des Jets in einer vorher nicht gekannten Genauigkeit von nur einigen Hundert Schwarzschildradien oder 12 Lichttagen abzubilden“, schließt Professor Anton Zensus, Direktor am Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie und Leiter der VLBI-Forschungsabteilung, ebenfalls ein Ko-Autor der Veröffentlichung.

Ein Radioteleskop im Weltall – und Dutzende auf der Erdoberfläche

Die deutliche Verbesserung in der Bildschärfe bei den Untersuchungen des Jets im Zentrum von NGC 1275 wird ermöglicht durch das Weltraum-Radiointerferometer RadioAstron, das sich aus einem 10-Meter-Radioteleskop in einer Umlaufbahn um die Erde sowie ca. zwei Dutzend der größten erdgebundenen Radioteleskope zusammensetzt. Wenn die von den einzelnen Teleskopen aufgenommenen Radiosignale interferometrisch miteinander kombiniert werden, erzielt dieses Netzwerk die Winkelauflösung eines virtuellen Einzelteleskops von bis zu 350.000 km Durchmesser; das entspricht nahezu dem Abstand zwischen Erde und Mond. Das macht RadioAstron zu dem Teleskop mit der höchsten Winkelaufläösung in der Geschichte der Astronomie. Das RadioAstron-Projekt wird geleitet vom Astro Space Center des Lebedev-Physicalinstituts der Russischen Akademie der Wissenschaften und der Lavochkin Scientific and Production Association unter einem Vertrag mit der russischen Weltraumorganisation ROSCOSMOS, in Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen in Russland und in anderen Ländern.

„Das RadioAstron-Projekt ist stolz darauf, dass die einzigartige Kombination des russischen Weltraumteleskops mit einigen der größten erdgebundenen Radioteleskope weltweit es ermöglicht, diese jungen relativistischen Jets in der unmittelbaren Umgebung von massereichen Schwarzen Löchern zu untersuchen“, kommentiert Professor Yuri Kovalev vom Lebedev-Institut in Moskau, der Projektwissenschaftler von RadioAstron.


Den Artikel finden Sie wieder:

https://www.mpifr-bonn.mpg.de/pressemeldungen/2018/4

Quelle: Max-Planck-Institut für Radioastronomie (04/2018)

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