Bei der Erforschung von Quantenspeichern zur Realisierung globaler
Quantennetzwerke ist Forschern der Abteilung Quantendynamik von Prof.
Gerhard Rempe am Max-Planck-Institut für Quantenoptik ein wesentlicher
Durchbruch gelungen: auf einem einzelnen, in einem optischen Resonator
gefangenen Atom konnten sie ein photonisches Quantenbit über ein
Zeitraum von mehr als 100 Millisekunden speichern (Nature Photonics, 11.
Dezember 2017). Speicherzeiten dieser Größenordnung sind Voraussetzung
für den Aufbau eines Quantennetzwerkes, in dem die Quanteninformation
durch Teleportation auf die diversen Netzknoten verteilt wird. „Die von
uns erzielten Kohärenzzeiten bedeuten eine Verbesserung um zwei
Größenordnungen bezogen auf den gegenwärtigen Stand der Technik“, betont
Prof. Rempe.
Licht ist ein idealer Träger für Quanteninformationen, doch beim
direkten Transport über große Distanzen gehen wertvolle Quantenbits
verloren. Einen möglichen Ausweg bietet hier die Teleportation des
Quantenbits zwischen den Endknoten eines Quantennetzwerkes. Hierfür wird
zunächst „Verschränkung“ zwischen den Knoten erzeugt; mit Hilfe dieser
„spukhafte Fernwechselwirkung“ wird das Quantenbit bei einer geeigneten
Messung auf dem Senderknoten „instantan“, d.h., mit sofortiger Wirkung,
zum Empfängerknoten übertragen. Dort kann es allerdings „verdreht“
ankommen, so dass es erst entsprechend zurückgedreht werden muss. Die
dafür benötigte Information muss vom Senderknoten zum Empfänger auf
klassischem Weg geschickt werden. Es dauert also eine gewisse Zeit, bis
sie den Empfänger erreicht hat, und solange muss das Quantenbit dort
gespeichert werden. Für zwei maximal weit auseinanderliegende Netzknoten
auf der Erde entspricht das einer Zeitspanne von mindestens 66
Millisekunden.
Bereits vor ein paar Jahren hat die Gruppe von Prof. Rempe eine Technik
entwickelt und erfolgreich erprobt, die in einem Photon kodierte
Quanteninformation auf einem einzelnen Atom zu speichern. Dazu wird ein
Rubidiumatom im Zentrum eines von zwei Spiegeln höchster Güte (Abstand
500 Mikrometer) gebildeten optischen Resonators plaziert und von zwei
stehenden Lichtwellen – parallel und senkrecht zur Resonatorachse –
festgehalten. In diesen Resonator schickt man einzelne Lichtquanten, auf
denen Quanteninformation in Form einer kohärenten Überlagerung von
rechts- und linksdrehendem Polarisationszustand kodiert ist. Durch die
zig-tausendfache Reflexion eines Photons im Resonator erhöht sich dessen
Lichtfeld so stark, dass es mit dem Atom effektiv in Wechselwirkung
treten kann.
Zeitgleich mit der Ankunft des Photons im Resonator wird ein
Laserkontrollpuls geschaltet, der die Übertragung und Speicherung der
photonischen Quanteninformation in Gang setzt. Dabei werden die beiden
Polarisationszustände des Photons auf zwei bestimmte Energieniveaus im
Atom abgebildet. Die Frage ist nun, wie lange die kohärente
Superposition der atomaren Zustände erhalten bleibt. Dies gelang in den
früheren Experimenten nur für die Dauer von einigen hundert
Mikrosekunden.
„Unser generelles Problem bei der Speicherung von Quanteninformation ist
die sogenannte Dephasierung“, erklärt Stefan Langenfeld, Doktorand am
Experiment. „Wesentlich für Quanteninformation ist die Phasenbeziehung
der Wellenfunktionen der beiden Energiezustände, die kohärent überlagert
sind. In der Praxis geht die Phasenbeziehung der atomaren Superposition
im Laufe der Zeit verloren, vor allem aufgrund von Wechselwirkung mit
magnetischen Feldfluktuationen.“
Deshalb ergreifen die Wissenschaftler in ihrem neuen Experiment eine
zusätzliche Maßnahme: kaum, dass die Übertragung der Information von
Lichtquant auf Atom stattgefunden hat, wird mit einem weiteren
Laserstrahl im Atom ein Raman-Übergang induziert, der die Population
eines der Energieniveaus kohärent auf ein anderes überträgt. Die
resultierende Konfiguration ist etwa 500mal unempfindlicher gegenüber
Magnetfeldfluktuationen.
Zum Auslesen des Quantenbits wird der Raman-Übergang rückwärts
durchlaufen, und das photonische Quantenbit wird in Bezug auf seine
Eigenschaften genauestens untersucht. Die Messungen ergeben eine
Übereinstimmung von ca. 90 % mit dem ursprünglichen Photon, und das für
Speicherzeiten von 10 Millisekunden. Allein durch die vorübergehende
Verschiebung der atomaren Population gelingt also eine mehr als 10fache
Steigerung der Kohärenzzeit. Einen weiteren Faktor 10 schaffen die
Wissenschaftler mit der sogenannten „Spin-Echo“-Technik. Dabei wird nach
genau der Hälfte der Speicherzeit die Population der beiden atomaren
Energieniveaus ausgetauscht. „Wir können damit die Quantennatur des
gespeicherten Bits über einen Zeitspanne von mehr als 100 Millisekunden
lang erhalten“, betont Matthias Körber, Doktorand am Experiment. „Die
Vision eines weltumspannenden Quantennetzwerkes wird die abhörsichere
und verlustfreie Übertragung von Quanteninformationen ermöglichen. Auch
wenn bis zu ihrer tatsächlichen Realisierung noch viel Forschungsarbeit
geleistet werden muss, sind langlebige Quantenspeicher doch eine der
Kerntechnologien, und deren aktueller Fortschritt bringt uns hoffentlich
dem Ziel ein signifikantes Stück näher.“ Olivia Meyer-Streng
Den Artikel finden Sie unter:
http://www.mpq.mpg.de/5589877/17_12_12
Quelle: Max-Planck-Institut für Quantenoptik (12/2017)
Publikation
M. Körber, O. Morin, S. Langenfeld, A. Neuzner, S. Ritter, G. Rempe
Decoherence-protected memory for a single-photon qubit
Nature Photonics, Advance Online Publication, 11 December 2017, DOI: 10.1038/s41566-017-0050-y