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Dienstag, den 21. September 2010 um 10:06 Uhr

Wie der Zucker in den Wein kommt

Dass Pflanzen, die viel Zucker speichern, süß schmecken, ist bekannt. Neu ist hingegen, dass diese Pflanzen auch mehr Ertrag bringen und sich als deutlich resistenter gegen Kälte erweisen. Warum das so ist, haben Wissenschaftler der Universitäten Würzburg und Kaiserslautern jetzt genauer untersucht.
Winzern und Weinliebhabern ist der Effekt zumindest vom Geschmack her vertraut: Je mehr Zucker eine Weintraube in ihren Speichern, den sogenannten Vakuolen, trägt, desto süßer schmeckt sie und desto höher ist der Oechsle-Grad. Das ist aber nur ein Effekt prall mit Zucker gefüllter Vakuolen. Wie der Kaiserslauterner Biologe und Stoffwechselexperte Professor Ekkehard Neuhaus vor kurzem entdeckte, sorgt Zucker auch dafür, dass Pflanzen plötzlich einbrechende Kälteperioden besser überleben können als zuckerarme Verwandte. Außerdem wachsen sie stärker und tragen mehr Frucht – was wiederum den Winzer freuen dürfte.

Bei der Suche nach den molekularen Gründen dieser Effekte tat sich Neuhaus mit Rainer Hedrich zusammen. Hedrich ist Inhaber des Lehrstuhls für Molekulare Pflanzenphysiologie und Biophysik der Universität Würzburg und gefragter Experte auf dem Gebiet der Elektrophysiologie. Seit mehr als 20 Jahren zählt er zu den weltweit bedeutendsten Wissenschaftlern, wenn es um die Erforschung des Membrantransports geht.

Überregionale Forschergruppe untersucht den Zuckertransport

In einer von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten überregionalen Forschergruppe untersuchten Neuhaus, Hedrich sowie Arbeitsgruppen aus Erlangen und Heidelberg die Bedeutung von Zuckertransportern und den daran beteiligten Protonenpumpen für das Überleben und den Ertrag der Pflanze. „Für Liebhaber von fruchtigen Spätlesen könnte man die Frage auch so formulieren: ‚Wie kommen Zucker und Säure in den Wein‘“, so Hedrich.

Was es mit Transportern, Protonenpumpen, Zucker und Säure auf sich hat? „Die Zusammensetzung und die Menge der Inhaltsstoffe einer Vakuole hängen davon ab, welche Transport-Proteine in der Hüllmembran dieser Vakuole sitzen“, erklärt Hedrich. Wichtige Vertreter dieser Transporter sind sogenannte Protonenpumpen, denn sie treiben den Speicherprozess an.

Wie der Zucker in die Speicher gelangt

Unter Aufwendung von Energie schaffen diese Pumpen Protonen in die Vakuole hinein und sorgen so dafür, dass die Vakuole viel mehr Protonen enthält als der sie umgebende Zellsaft. In diesem Konzentrationsgefälle steckt Energie – die Protonen drängen mit aller Macht wieder hinaus aus der überfüllten Vakuole, ähnlich wie Luft aus einem prall aufgeblasenen Ballon. Dies ist der Ansatzpunkt für die Zuckertransporter, die in der Vakuolenmembran sitzen: Sie nutzen den energetisch begünstigten Ausstrom von Protonen, um nach dem Austauschprinzip gleichzeitig Zucker in die Vakuole zu schaffen. Zwei solcher Protonen-Pumpen hat Hedrich erst vor kurzem gemeinsam mit der Professorin Karin Schumacher von der Uni Heidelberg untersucht.

Über kältetolerante Mutanten zum Zuckertransporter

Obwohl das Phänomen des Protonen-getriebenen Zuckertransports schon in den 70er-Jahren entdeckt wurde, blieb die molekulare Natur des Transportproteins bis vor kurzem im Dunkeln. Ein überlegter Glücksgriff sorgte jetzt für Erhellung: Bei der Untersuchung einer bisher unbekannten Genfamilie der Modellpflanze Arabidopsis thaliana – der Ackerschmalwand – entdeckte Neuhaus, dass die Pflanze plötzlich einbrechende Kälteperioden besser überleben kann, wenn Kopien bestimmter Gene in den Transportproteinen eine verstärkte Aktivität zeigen. Der Grund dafür: Die genetisch optimierte Pflanze speichert verstärkt Glukose in der Vakuole und das wirkt wie ein Frostschutzmittel.

An diesem Punkt kam Rainer Hedrich ins Spiel, der mit der Analyse von Kanälen und Pumpen mittels hochempfindlicher biophysikalischer Verfahren bestens vertraut ist. Noch während seiner Doktorarbeit im Labor des Nobelpreisträgers Professor Erwin Neher war Hedrich 1984 mit Hilfe der sogenannten Patch-Clamp-Technik erstmals der funktionelle Nachweis pflanzlicher Ionenkanäle gelungen. Mit exakt dieser Technik konnten er und seine Mitarbeiter nun auf isolierten Vakuolen zeigen, dass Neuhaus tatsächlich den lang gesuchten Protonen-getriebenen Zuckertransporter aufgespürt hatte.

Die Zeitschrift „Plant Physiology“ hat in ihrer Online-Ausgabe vom 13. August über diese Arbeit berichtet. Die „Fakulty of 1000“ stuft diese Publikation als „Must read“, also als „muss man lesen“, ein.

Weitere ungeklärte Fragen

Natürlich bleiben auch nach dieser Entdeckung weitere Fragen bestehen. Ekkehard Neuhaus will nun herausfinden, warum die Kälte-optimierten Arabidopsis-Pflanzen mehr Ertrag geben und ob sich dieser Ansatz auch auf Nutzpflanzen ausdehnen lässt. Im Zentrum von Hedrichs Interesse stehen die Fragen: „Woran erkennt das Transportprotein, welchen Zucker es transportieren soll?“ und „Wie holt die Pflanzenzelle den Zucker bei Bedarf wieder aus ihrem Zentralspeicher heraus?“.

Den Artikel finden Sie unter:

http://www.presse.uni-wuerzburg.de/pressemitteilungen/meldungen/single/artikel/wie-der-zu/

Quelle: Julius-Maximilians-Universität Würzburg (09/2010)

Publikation
Increased Activity of the Vacuolar Monosaccharide Transporter TMT1 Alters Cellular Sugar Partitioning, Sugar Signalling and Seed Yield in Arabidopsis. Karina Wingenter, Alexander Schulz, Alexandra Wormit, Stefan Wic, Oliver Trentmann, Imke I. Hoermiller, Arnd G. Heyer, Irene Marten, Rainer Hedrich and Ekkehard Neuhaus. Plant Physiology, DOI:10.1104/pp.110.162040

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