Parkinson beginnt schleichend. Die Erkrankung bleibt häufig über Jahrzehnte unbemerkt, während im Gehirn immer mehr Nervenzellen absterben. Typische Anzeichen der fortgeschrittenen Krankheit sind Störungen der Mobilität. Ein besonders tückisches Symptom: Gang-Freezing. Bei bis zu 80 Prozent aller Patientinnen und Patienten tritt diese plötzliche Bewegungsblockade mit fortschreitender Krankheit auf. Das unvorhersehbare "Einfrieren" kann nur wenige Augenblicke, aber auch bis zu mehreren Sekunden andauern. Interessanterweise zeigt das Gangbild des Gehirn bereits wenige Schritte und Sekunden vor einer solchen Gangblockade bereits Auffälligkeiten – zu einer Zeit, in der der Patient aber noch mobil ist und eine Chance besteht, eine bevorstehende Blockade noch abzuwenden.
Dem Gehirn beim Gehen zuschauen
Welche neuronalen Grundlagen für die Entstehung von Gangblockaden verantwortlich sind, konnte bislang bei gehenden Patienten kaum untersucht werden. Eine neue Generation von Hirnstimulationselektroden erlaubte seit wenigen Jahren erstmals, Hirnaktivität aus der Tiefe des Gehirns in Echtzeit zu messen, während Patienten gingen und Gangblockaden zeigten.Die Studie um Prof. Dr. Daniel Weiß, Dr. Philipp Klocke und Prof. Dr. Alireza Gharabaghi konnte mit dieser neuen Methode zeigen, dass die Gangblockaden – anders als das willkürliche Stoppen beim Gehen – spezifische Fehlaktivierungen des sogenannten Nucleus subthalamicus zeigten. Dieser Nervenkern in der Tiefe des Gehirns spielt eine entscheidende Rolle bei der Bewegungskontrolle und erklärt die Fehlsteuerung der Beinmuskulatur in Folge der fehlerhaften Hirnaktivierung.
Den Weg ebnen für die klinische Anwendung
„Interessanterweise konnten wir mit der neuen Methode bei Patientinnen und Patienten mit Parkinson nachweisen, dass diese Fehlsteuerung der eigentlichen Blockade bereits um wenige Schritte vorausging. Dies ist eine großartige Möglichkeit, die Neurostimulation gezielter einzusetzen, um eine sich ankündigende Gangblockade mittels Neurostimulation möglicherweise noch abzuwenden – zu einer Zeit, wenn sie sich bereits ankündigt, aber noch nicht definitiv eingetreten ist“, fasst Prof. Weiß zusammen. „Die aktuellen Hirnschrittmacher verfügen teilweise bereits über die technologischen Voraussetzungen für solche Therapieanwendungen. Bis eine solche adaptive Therapie allerdings hoffentlich in Zukunft einmal zur Verfügung gestellt werden kann, sind noch weitere Entwicklungsschritte und klinische Studien erforderlich“, ergänzt Prof. Weiß.Die Zahl der Patientinnen und Patienten weltweit hat sich von 2,5 Millionen im Jahr 1990 auf 6,1 Millionen im Jahr 2016 erhöht. In Deutschland allein sind etwa 400.000 Menschen von der neurodegenerativen Erkrankung betroffen.
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Quelle: Universitätsklinikum Tübingen (11/2024)
Publikation:
https://doi.org/10.1093/brain/awae223