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Dienstag, den 13. April 2021 um 14:44 Uhr

Positionspapier der Gesellschaft für Aerosolforschung zum Verständnis der Rolle von Aerosolpartikeln beim SARS-CoV-2 Infektionsgeschehen

Dass Viren sich über Aerosolpartikel ausbreiten können, wurde bereits in vielen Studien gezeigt. Als Aerosol bezeichnet man ein Gemisch aus Luft mit darin verteilten festen oder flüssigen Partikeln. Ein Aerosol ist dabei immer dynamisch, da Partikel neugebildet, in oder mit der Luft transportiert und aus der Luft entfernt werden oder sich im luftgetragenen Zustand verändern. Zum Verständnis der Rolle von Aerosolpartikeln als Übertragungsweg von SARS-CoV-2 ist daher die Kenntnis der verschiedenen Prozesse in einem Aerosol von besonderer Bedeutung.

Mit diesem Papier möchte die GAeF einen Beitrag dazu leisten, den momentan so häufig anzutreffenden Begriff „Aerosol“ sowie die relevanten Aerosolprozesse anschaulich darzustellen und zu erläutern. Dabei wird im Rahmen dieses Papiers nur auf die wesentlichen Grundlagen eingegangen.

Für ein tiefergehendes Verständnis der teilweise komplexen Prozesse sei auf die angeführte Sekundärliteratur verwiesen. Das Papier fasst eine Vielzahl von Studien zur Entstehung von virenbeladenen Aerosolpartikeln sowie deren Ausbreitung zusammen. Darauf basierend kann festgestellt werden, dass ausgeatmete Aerosolpartikel auch bei der Corona- Pandemie eine prominente Rolle bei der Verbreitung der Viren spielen. Abschließend geht dieses Papier auf mögliche Maßnahmen zur Verringerung der Ausbreitung von Aerosolpartikeln ein. Die diskutierten Maßnahmen orientieren sich an der derzeitigen öffentlichen Diskussion und beinhalten entsprechend die folgenden Punkte: Lüften, Luftreiniger, Lüftungsanlagen und Masken. Es werden Hinweise zum richtigen und sinnvollen Einsatz dieser Maßnahmen gegeben.

Aerosolpartikel haben Größen zwischen ca. 0,001 und mehreren 100 Mikrometern (und nicht wie in vielen Publikationen derzeit definiert < 5μm) und verteilen sich mit Luftströmungen relativ schnell, auch über größere Distanzen. Größere Aerosolpartikel sinken – abhängig von ihrer Größe und Dichte – zu Boden; kleine Aerosolpartikel können hingegen sehr lange in der Luft verbleiben (s. Kapitel 3). Jeder Mensch stößt durch die Atmung sowie beim Sprechen, Husten und Niesen flüssige Aerosolpartikel unterschiedlicher Größen aus (s. Kapitel 4). Ist eine Person mit einem Virus, wie z. B. SARS-CoV-2, infiziert, so können diese Aerosolpartikel Viren enthalten, die in die Luft gelangen und von anderen Personen eingeatmet werden können. SARS-CoV-2 hat eine Größe von 0,06 bis Zusammenfassung 0,14 Mikrometer, die exhalierten flüssigen Aerosolpartikel sind hingegen größer. Die flüssigen Aerosolpartikel können aber je nach Umgebungsbedingungen durch Verdunstung schrumpfen. Für den Partikeltransport und die Partikelabscheidung ist dabei jeweils die aktuelle Partikelgröße relevant. Das höchste Infektionsrisiko besteht in geschlossenen Innenräumen, da sich hierin Aerosolpartikel anreichern können. Insbesondere hier sind entsprechend Maßnahmen zu treffen, die eine Reduktion der Aerosolpartikelkonzentration ermöglichen.
Vor dem Hintergrund der Aerosolwissenschaften ordnet die GAeF die aktuellen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie wie folgt ein:

  • Prinzipiell gilt: Keine Maßnahme kann für sich alleine funktionieren! Das Zusammenspiel der verschiedensten Maßnahmen ist nach derzeitigem Wissensstand der beste Weg zur Minimierung des Infektionsrisikos.
  •  Abstand halten ist wichtig, denn mit zunehmendem Abstand werden direkt ausgeatmete Viren verdünnt, und die Wahrscheinlichkeit sich anzustecken sinkt. Der vielfach vorgeschriebene Mindestabstand kann als Anhaltspunkt dienen, sollte aber insbesondere bei längeren Zusammenkünften und auch in Innenräumen mit verringerter Luftbewegung vergrößert und durch weitere Maßnahmen (s.u.) ergänzt werden.
  •  Masken helfen, einen Teil der exhalierten Partikel (und Viren) zu filtern. Dadurch sinkt die Konzentration der exhalierten Partikel (und Viren) in einem Raum und damit das Infektionsrisiko. Hierbei ist zu beachten, dass die ausgeatmeten Aerosolpartikel durch anhaftende Feuchtigkeit relativ groß sind und somit auch von einfachen Masken effizient zurückgehalten werden können. Da diese Partikel aber mit längerer Verweilzeit in der Raumluft schrumpfen, sind einfache Mund-Nasen-Bedeckungen für den Selbstschutz weniger effizient. Hierfür sind Atemschutzmasken erforderlich, die auch für feine Partikel eine hohe Abscheidung zeigen, z. B. der Klassen FFP2, N95 oder KN95. Diese sind sowohl für den Selbst- als auch den Fremdschutz effizient, sofern sie über kein Ausatemventil verfügen. Masken mit Ausatemventil dienen hingegen nur dem Selbstschutz und widersprechen daher dem Solidaritätskonzept, dass Mitmenschen durch kollektives Maskentragen geschützt werden.
  • Gesichtsvisiere, die ohne zusätzliche Verwendung von Masken eingesetzt werden, sind hinsichtlich Aerosolpartikeln weitgehend nutzlos, da die Luft mit Partikeln (und Viren) ungefiltert um die Visiere herumströmt. Gesichtsvisiere werden im klinischen Alltag zusätzlich zu Masken getragen, um Tröpfcheninfektion über die Schleimhäute der Augen zu verhindern. Ebenfalls weitgehend unwirksam gegen die Aerosolverbreitung in Innenräumen sind mobile oder fest installierte Plexiglasbarrieren. Diese können nur kurzfristig die kleinräumige Ausbreitung eines Aerosols, z. B. im Kassenbereich eines Supermarkts, verhindern, bieten aber längerfristig keinen Schutz. Gesichtsvisiere und Plexiglasscheiben dienen im Wesentlichen als Spuck- und Spritzschutz gegenüber großen Tröpfchen.
  • Im Freien finden so gut wie keine Infektionen durch Aerosolpartikel statt. Allerdings können Tröpfcheninfektionen auftreten, insbesondere in Menschenansammlungen, wenn Mindestabstände nicht eingehalten und/oder keine Masken getragen werden. In geschlossenen Räumen ist Lüften unerlässlich, um die ausgeatmete Luft in einem Raum durch frische Luft von draußen zu ersetzen. Häufiges Stoß- und Querlüften sind dabei vergleichbar effektiv wie dauernd das Fenster vollständig geöffnet zu lassen. Aus energetischer Sicht ist Stoß- oder Querlüften insbesondere im Winter allerdings effizienter. CO2-Monitore können bei der Überwachung der Luftqualität in Innenräumen helfen. Sie zeigen an, wann gelüftet werden sollte und wann die Luft in einem Raum während des Lüftens ausreichend gewechselt ist. Sie können jedoch nur als Indikator verwendet werden und verhindern selbst bei Einhaltung der vorgeschlagenen CO2-Grenzkonzentrationen keine direkte Infektion durch unmittelbar benachbarte Personen.
  • Luftreiniger können einen sinnvollen Beitrag leisten, um die Partikel- und Virenkonzentration in einem Raum zu reduzieren. Bei der Beschaffung von Luftreinigern muss darauf geachtet werden, dass diese für den betrachteten Raum und die betrachtete Anwendung ausreichend dimensioniert sind, um die Partikel- und Virenlast signifikant zu verringern. Dem Luftdurchsatz des Gerätes kommt dabei eine größere Bedeutung zu, als der reinen Effizienz des Filters. Aus energetischen und Kostenerwägungen kann die Verwendung hocheffizienter Filter sogar kontraproduktiv sein. Fest verbaute Lüftungsanlagen können ebenso sinnvoll sein, sofern sie die Luft filtern, um die Partikel- und Virenlast in einem Raum zu verringern. Hierbei ist es zur Vermeidung von Infektionen sinnvoll, diese möglichst mit 100 % Frischluft zu betreiben.
Aus Sicht der Gesellschaft für Aerosolforschung besteht erheblicher Forschungsbedarf insbesondere an den interdisziplinären Grenzen zu Forschungsfeldern der Epidemiologie, Infektiologie, Virologie, Lüftungstechnik und Strömungsmechanik. Die Durchführung gezielter Studien sollte kurzfristig mit speziellen Förder- und Forschungsprogrammen ermöglicht werden.

Dieses Papier wurde von Mitgliedern der Gesellschaft für Aerosolforschung verfasst und wird von einer Vielzahl internationaler Aerosolexperten unterstützt.


Das Positionspapier finden sie unter:

https://ae00780f-bbdd-47b2-aa10-e1dc2cdeb6dd.filesusr.com/ugd/fab12b_a5f114a183cf4f27ab8ac713e8a5b8ef.pdf

Quelle: Gesellschaft für Aerosolforschung e.V. (GAeF) (04/2021)

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