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Mittwoch, den 05. August 2020 um 08:42 Uhr

Erster radioastronomischer Nachweis eines extrasolaren Planetensystems um einen Hauptreihenstern

Einem internationalen Team von Astronomen unter Beteiligung von Gisela Ortiz-Leon (MPIfR Bonn) ist es gelungen, einen saturnähnlichen extrasolaren Planeten um einen massearmen kühlen Stern nachzuweisen, und zwar anhand der systematischen Bewegung („wobbling“) des Sterns, hervorgerufen durch die Gravitation des Planeten. Zum ersten Mal konnte diese Technik bei Radiowellenlängen erfolgreich angewendet werden. Die Forscher setzten ein Netzwerk von Radioteleskopen ein, zusammengeschaltet zu einem virtuellen Teleskop von kontinentaler Ausdehnung. Die dafür erforderliche extrem präzise Vermessung der Sternpositionen konnte nur mit einem derart ausgedehnten Radioteleskopnetzwerk erzielt werden.

Mit dem extrem scharfen “Radioblick“ des „Very Long Baseline Array” (VLBA), dessen Einzelteleskope sich über den gesamten amerikanischen Kontinent erstrecken, haben Astronomen einen Planeten von Saturngröße entdeckt, der sich auf einer engen Umlaufbahn um einen massearmen kühlen Stern in 35 Lichtjahren Entfernung von der Erde bewegt. Es ist die erstmalige astrometrische Entdeckung eines extrasolaren Planeten mit einem Radioteleskop, wobei eine Beobachtungstechnik angewandt wird, die extrem präzise Messungen der Position des Sterns am Himmel erforderlich macht. Es ist auch erst der zweite extrasolare Planet, der mit dieser astrometrischen Beobachtungstechnik nachgewiesen werden konnte.

Die astrometrische Beobachtungstechnik an sich ist schon länger bekannt, ist aber im praktischen Gebrauch sehr schwierig. Sie erfordert die extrem präzise Verfolgung der tatsächlichen Bewegung des Sterns im Raum, dazu den Nachweis winzig kleiner Schwankungen in dieser Bewegung, hervorgerufen durch die Gravitationswirkung des umlaufenden Planeten auf den Stern. Der Stern und der Planet umkreisen jeweils die Position des gemeinsamen Massezentrums. Der Planet kann nun indirekt nachgewiesen werden, wenn diese Position, auch als „Baryzentrum“ bezeichnet, weit genug vom Zentrum des Sterns entfernt liegt, um eine durch Teleskope beobachtbare Wackelbewegung („wobbling“) hervorzurufen.

Diese Beobachtungstechnik eignet sich insbesondere zum Nachweis jupitergroßer Planeten in Umlaufbahnen mit großem Abstand zu ihrem Zentralstern. Das liegt daran, dass bei massereichen Planeten die Wackelbewegung mit dem Abstand zwischen Planet und Stern anwächst und für einen bestimmten Abstand der Umlaufbahn das Ausmaß der Wackelbewegung des Sterns mit der Masse des Planeten anwächst.

Von Juni 2018 an hat das Forscherteam für insgesamt anderthalb Jahre die Positionen des Sterns TVLM 513–46546 systematisch vermessen. TVLM 513–46546 ist ein kühler Zwergstern mit weniger als 10% der Masse unserer Sonne in Richtung des Sternbilds Bootes am Himmel. Zusätzlich nutzten die Astronomen noch neun frühere VLBA-Messungen dieses Sterns aus der Zeit zwischen März 2010 und August 2011.

Die umfassende Analyse aller Beobachtungsdaten des Sterns zeigt eine systematische Schwankung in den gemessenen Positionen des Sterns und ermöglicht daraus den indirekten Nachweis eines Planeten von Saturnmasse, der seinen Stern mit einer Periode von 221 Tagen umkreist. Dieser Planet hat einen geringeren Abstand von seinem Stern als Merkur von der Sonne.

Massearme kühle Sterne wie TVLM 513–46546 gehören zu den häufigsten in unserer Milchstraße vorkommenden Sternen und bei vielen von ihnen hat man kleinere Planeten gefunden, von der Masse her vergleichbar mit Erde oder Mars im Sonnensystem.

„Große Planeten wie Jupiter oder Saturn sollten bei massearmen Sternen wie diesem eigentlich eher selten vorkommen. Die astrometrische Beobachtungstechnik ist am erfolgreichsten beim Nachweis jupiterähnlicher Planeten in ausgedehnten Umlaufbahnen. Wir waren daher überrascht, einen masseärmeren Planeten von Saturngröße in einer relativ nahen Umlaufbahn um den Stern zu finden, während wir doch eher etwas von der Größe des Jupiter wesentlich weiter außen erwartet hätten“, sagt Salvador Curiel von der National Autonomous University in Mexiko. „Der Nachweis der Umlaufbewegung eines masseärmeren Planeten in einer so nahen Umlaufbahn war schon eine Herausforderung“, fügt er hinzu.

Bisher sind über 4300 Planeten in Umlaufbahnen um andere Sterne gefunden worden, aber der Planet um TVLM 513–46546 ist erst der zweite, der mit Hilfe der astrometrischen Beobachtungstechnik nachgewiesen werden konnte. Eine andere sehr erfolgreiche Methode zum Nachweis extrasolarer Planeten, die sogenannte Radialgeschwindigkeitstechnik, beruht ebenfalls auf dem gravitativen Einfluss eines Planeten auf seinen Mutterstern. Diese Technik weist die winzige Beschleunigung des Sterns in Richtung oder entgegengesetzt zur Richtung der Erde nach, die durch die Bewegung des Sterns um das gemeinsame Baryzentrum verursacht wird.

„Unsere Nachweismethode ergänzt die Radialgeschwindigkeitsmethode, die eher geeignet für Planeten in nahen Umlaufbahnen um den jeweiligen Stern ist, während die astrometrische Methode besser geeignet ist, um massereiche Planeten in weiter entfernten Umlaufbahnen um ihre Sterne zu finden“, erklärt Gisela Ortiz-Leon vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie. „Tatsächlich konnten mit den anderen Methoden nur wenige Planeten gefunden werden, die in ihren Eigenschaften wie Masse, Größe der Umlaufbahn und Masse des Muttersterns unserem neugefundenen Planeten gleichen. Wir nehmen an, dass mit dem VLBA oder allgemein mit der astrometrischen Methode noch eine große Zahl weiterer Planeten mit ähnlichen Eigenschaften gefunden werden können.“

Eine dritte ebenfalls sehr erfolgreiche Methode zur Auffindung extrasolarer Planeten weist eine leichte Abdunklung im Licht eines Sterns nach, wenn der Planet von der Erde aus gesehen vor dem Stern vorbeizieht (ein sogenannter Transit).

Die astrometrische Methode ist erfolgreich im Aufspüren von nahegelegenen Doppelsternsystemen und wurde bereits im 19. Jahrhundert als eine mögliche Methode für die Entdeckung extrasolarer Planeten in Erwägung gezogen. Im Lauf der Jahre wurden wiederholt solche Entdeckungen angekündigt, die jedoch sorgfältiger Überprüfung nicht standhalten konnten. Die Schwierigkeit bei dieser Methode liegt darin, dass die vom Planeten verursachte Wackelbewegung des Sterns von der Erde gesehen so winzig ist, dass es eine ganz außergewöhnliche Präzision bei der Positionsbestimmung des Sterns erforderlich macht.

„Das VLBA mit seinen Einzelteleskopen in bis zu 8000 km Abstand ermöglicht ein extrem hohes Auflösungsvermögen und liefert uns die Genauigkeit, die für diese Entdeckung erforderlich war“, sagt Amy Mioduszewski vom National Radio Astronomy Observatory (NRAO). „Hinzu kamen Verbesserungen in der Empfindlichkeit des VLBA, die uns die Datenqualität lieferten, die wir für diese Arbeit benötigten“, fügt sie abschließend hinzu.


Den Artikel finden Sie unter:

https://www.mpifr-bonn.mpg.de/pressemeldungen/2020/7

Quelle: Max-Planck-Institut für Radioastronomie (08/2020)

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