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Mittwoch, den 05. Dezember 2018 um 09:20 Uhr

Chemikalien im Eisbärblut

In Eisbärenserum konnten kanadische und US-amerikanische Wissenschaftler jetzt mit einer neuen, empfindlicheren Messmethode zahllose chlorierte und fluorierte Substanzen nachwiesen, darunter viele bislang unbekannte polychlorierte Biphenyle. Die Konzentration dieser Metabolite im Serum ist laut der Arbeit, die in der Zeitschrift Angewandte Chemie veröffentlicht wurde, während der letzten Jahrzehnte entgegen den Erwartungen nicht zurückgegangen. Bei vielen langkettigen fluorierten Alkylsulfonsäuren wurde sogar ein steter Anstieg beobachtet.

Eisbären sitzen am oberen Ende der arktischen Nahrungskette. Was immer Fisch und andere Meeresbewohner aufnehmen, kann sich letztlich in Eisbären anreichern, die diese Tiere fressen. Halogenierte Substanzen wurden in den 1970er Jahren zum ersten Mal in Eisbären nachgewiesen. Seitdem verfolgt man die Entwicklung regelmäßig, denn diese menschengemachten Chemikalien und ihre Metabolite werden mit Störungen im Immunsystem oder dem Hormonhaushalt in Verbindung gebracht. Die aktuelle Studie mit Jonathan W. Martin von der University of Alberta in Edmonton (Kanada) als Hauptautor, jetzt an der Universität Stockholm, gibt einen Überblick über die neu entdeckten halogenierten Substanzen und beleuchtet die zeitliche Entwicklung seit mehr als zwanzig Jahren.

Martin und seine Doktorandin Yanna Liu wählten zwei Eisbärpopulationen für diese Untersuchung aus, eine aus der Hudson Bay und die andere aus der Beaufortsee im Nordpolarmeer. Serum aus jeder Gruppe wurde vereinigt und durch chromatographische und massenspektrometrische Hochleistungstechniken analysiert. Vor der Analyse wurden im Serum vorhandenes Protein und Phospholipide abgetrennt, dann die Metaboliten in Plastikkapillaren extrahiert. Frühere Studien beruhten dagegen auf gaschromatographischen Analysetechniken, die mehr Reinigungsschritte unter harscheren Bedingungen erfordern, erläutern die Autoren.

Einen großen Anteil unter den entdeckten Substanzen machten die polychlorierten Biphenyle (PCBs) aus. Dass sich diese Verbindungen in Eisbären anreichern, weiß man seit den 1970er Jahren. Allerdings wurde deren Produktion weltweit in den 1980er Jahren verboten, nachdem man ihre gesundheitsschädigende Wirkung erkannt hatte. Wegen ihrer Langlebigkeit lassen sich diese Substanzen aber immer noch überall auf der Welt nachweisen. Außer den bereits bekannten PCB-Metaboliten entdeckten die Wissenschaftler auch bisher unbekannte Metabolite. Sämtliche neue Substanzen wiesen die Wissenschaftler auch im Mausmodell nach. Das bedeutet, dass auch andere Säugetiere diese Chemikalien aufnehmen und Metabolite bilden können.

Daneben entdeckten die Wissenschaftler verschiedene perfluorierte Alkylsulfonsäuren (PFSAs), darunter perfluorierte Alkylethersulfate. Trotz gesundheitlicher Bedenken werden PFSAs zum Teil immer noch industriell genutzt. Besonders bei den langkettigen PFASs hat man negative Auswirkungen auf Reproduktion und Entwicklung festgestellt. Anhand von früheren Proben konnten die Wissenschaftler seit 1984 immer höhere PFSA-Konzentrationen im Eisbärenserum nachweisen. Besonders betroffen waren die Eisbären aus der Beaufortsee. Diese leben näher an den großen Industrieregionen Chinas, die nach wie vor PFSAs im großen Maßstab in die Umwelt freisetzen, wie immer wieder berichtet wurde.

Noch weitere polychlorierten Verbindungen wiesen die Wissenschaftler zum ersten Mal in Eisbärenserum nach, darunter mehrere chlorierte aromatische Verbindungen. Vor allem wegen der besorgniserregenden Zunahme dieser stabilen Metabolite empfehlen die Autoren dringend eine Neubewertung der Gesundheitsgefahren. Denn trotz Verboten und teilweise starker Regulierung der Produktion der Ausgangschemikalien ging die Konzentration im Eisbärenblut offenbar nicht zurück. Im Gegenteil reichern gefährdete Tierarten selbst an den Außenposten der Erde wie im Nordpolarmeer immer mehr von diesen Stoffen an.


Den Artikel finden Sie unter:

https://onlinelibrary.wiley.com/page/journal/15213757/homepage/press/201839press.html

Quelle: Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V. (12/2018)


Publikation:
https://doi.org/10.1002/ange.201809906

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