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Mittwoch, den 12. September 2018 um 15:06 Uhr

Wo sind die Erinnerungen an die Einschulung geblieben?

Die Einschulung ist für einen jungen Menschen ein besonderes Ereignis. Die meisten erinnern sich noch daran, wo und mit wem sie diesen Tag verbracht haben. Dabei hilft ihnen das episodische Gedächtnis, in dem räumliche und zeitliche Informationen zu persönlichen Erlebnissen verankert sind. Prof. Dr. Magdalena Sauvage vom Leibniz-Institut für Neurobiologie (LIN) in Magdeburg erforscht diese Gedächtnisform. Gemeinsam mit anderen Kollegen konnte sie in einer neuen Studie im Fachmagazin PLOS Biology nachweisen, dass räumliche und zeitliche Informationen im Hippocampus sowohl unabhängig voneinander als auch gemeinsam gespeichert werden können und so die Erinnerung an Erlebtes bilden.

Das episodische Gedächtnis ermöglicht es, dass wir Erfahrungen, die in einer bestimmten Situation zu einem bestimmten Zeitpunkt gebildet wurden, abrufen können. Magdalena Sauvage, Leiterin der Abteilung „Funktionelle Architektur des Gedächtnisses“ am LIN, erklärt: „Im episodischen Gedächtnis werden unsere persönlichen Erlebnisse kodiert – also alles, was wir irgendwann irgendwo gemacht haben. Aber es muss uns stark geprägt haben, damit es in Erinnerung bleibt. Interessant ist dabei: War uns bei unserer Einschulung beispielsweise besonders wichtig, mit wem wir sie verbracht haben, wird die Erinnerung auf andere Weise im Gehirn kodiert, als wenn wir uns erinnern, wann und wo die Feier stattfand.“

Aus früheren Studien wussten die Forscher bereits, dass das Was und Wo von Erlebnissen durch separate Pfade im Gehirn abgespeichert wird. „Es gibt ein traditionelles Zwei-Wege-Modell für das episodische Gedächtnis, das jedoch die zeitliche Dimension nicht klar mit einbezieht. Außerdem basiert es auf der Annahme, dass räumliche und zeitliche Informationen im Hippocampus systematisch integriert werden. Aktuellere anatomische und funktionelle Studien haben uns jedoch darauf schließen lassen, dass dieses Konzept nicht vollständig ist“, so Sauvage.

Deshalb hat das Forscherteam um die Neurobiologin weiterführende Verhaltensexperimente mit Mäusen gemacht, die auch bei Menschen durchgeführt werden. Bei diesen Experimenten spielten räumliche und zeitliche Komponenten eine Rolle. Innerhalb von einer Stunde bekamen die Tiere zwei Varianten von Objektsets präsentiert. Ob sich eine Maus an die Positionen bestimmter Objekte und den Präsentationszeitraum erinnert hat, konnten die Wissenschaftler daran ablesen, dass sich Mäuse zunächst immer den Objekten mit geänderter Lage oder den zuerst gezeigten Objekten zugewendet haben.

Außerdem setzten die Wissenschaftler bildgebende Verfahren auf molekularbiologischer Ebene ein: Die Zellen der Mäuse wurden unter dem Mikroskop mit fluoreszierenden Markern auf das Gen Arc untersucht. Dieses spielt bei plastischen Prozessen eine wichtige Rolle, wenn sich Aktivitätsmuster im Gehirn ändern, um Informationen dauerhaft einzuspeichern. „Wir konnten dadurch sehen, wenn bestimmte Hirnbereiche aktiviert sind und die Anzahl der beteiligten Nervenzellen auszählen“, sagt Sauvage.

Beim Auswerten stellten die Forscher fest: Im Hippocampus sind die Unterregionen CA1 und CA3 beide an der Bildung des episodischen Gedächtnisses beteiligt, aber auf unterschiedliche Art. „Erstmalig konnten wir zeigen, dass zeitliche Informationen nur in einem bestimmten Bereich der Unterregion CA1 und räumliche Informationen in den beiden Unterregionen CA1 und CA3 gespeichert werden.“

Die Forschungsergebnisse dieser Studie bestätigen, dass das traditionelle Modell für die Bildung eines episodischen Gedächtnisses und das Konzept von getrennten Netzwerken für die Speicherung von räumlichen und zeitlichen Informationen unter bestimmten Bedingungen miteinander vereinbar sind. „Es handelt sich demzufolge um verschiedene Aspekte des gleichen Konzepts und diese Erkenntnis ist ein Durchbruch“, fasst Studienleiterin Sauvage zusammen.


Den Artikel finden Sie unter:

https://iwebdav.ifn-magdeburg.de/owncloud/index.php/s/vT0DtNZwGB3Ptr9#pdfviewer

Quelle: Leibniz-Institut für Neurobiologie (09/2018)


Publikation:
https://doi.org/10.1371/journal.pbio.2006100

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